Donnerstag, 13. Juli 2017

Kapitel 32 - Kuching (Malaysia/Borneo): Von Affen, Katzen und Schweinen

Gerade sitze ich am Dock des Flusshafens und warte auf mein Schiff, das mich flussabwärts ins Innere des Bundesstaates Sarawak auf der Insel Borneo bringen soll. Der Himmel ist bedeckt, aber es gibt keine Anzeichen von Regen. In meinem Kaffee befindet sich wie immer zu viel Zucker. Die Flussfahrt markiert das Ende meines über zehntägigen Aufenthalts in Sarawaks Hauptstadt Kuching und deren Umgebung. Ähnlich wie in Penang, so habe ich mich auch ein bisschen in Kuching verliebt, was in der malaiischen Sprache 'Katze' bedeutet. Auch Kuching bietet eine wundervoll charmante Atmosphäre und darüber hinaus noch Zugang zu einzigartigen Naturreservaten, wo sich die Flora und Fauna Borneos hautnah erleben lässt.

Flair.

Straßenbilder.
Meine Ankunft in Kuching indes erfolgte mal wieder in etwas derangiertem und übernächtigtem Zustand. Der Flug, den ich von Penang aus nahm, sollte morgens um 7 Uhr starten. Also wollte ich mir gleich die Nacht in der Herberge sparen und habe meinen Schlafsack auf einer Sitzgelegenheit im Flughafen-McDonalds ausgebreitet. Die Nacht war kurz und schlaflos. Das Licht blieb andauernd eingeschaltet und zu allem Überfluss wurde auf einem Flachbildfernseher Tennis übertragen. Nach dem zweistündigen Flug stand dann noch die übliche Odyssee vom Flughafen zur Unterkunft bevor, die man sich durch weniger Geiz hätte ersparen können. So durfte ich noch bei vollem Marschgepäck und steigender Sonne, die auf Borneo eine besonders intensive Strahlkraft entfaltet, etwa 2 Kilometer an der Straße entlang zur Bushaltestelle trotten.

Die Waterfront.
Gelohnt hat sich der Marsch allemal. Kuching versprüht eine einzigartige Atmosphäre, die besonders im Umfeld der 'Waterfront' spürbar wird, Kuchings Flusspromenade. Hier flaniert man vorbei an weißgetünchten Gebäuden im englischen Stil und kann sich im Schatten der ausladenden Bäume von der feuchtwarmen Hitze erholen. In den zahlreichen Geschäften lässt sich jede Art von Borneo-Souvenier erstehen, vom Iban-Speer bis zum Orang-Utan-T-Shirt. In den Cafés und kleinen Restaurants genießt man am besten einen kräftigen Sarawak-Kaffee oder den traditionellen Sarawak-Laksa (eine Art Nudelsuppe mit fischiger Note). Lohnenswert ist es auch, sich für ein paar Minuten auf eine Bank am Wasser zu setzen, dem Treiben zuzusehen und auf die andere Flussseite zu blicken, wo sich das mondäne Anwesen des Gouverneurs von Sarawak, das ehemalige Fort Margeritha sowie der wuchtige, goldfarbene Regierungssitz in Form einer gigantischen Zitronenpresse befinden. Auf die Spuren der chinesischen Gemeinde kann man sich im Museum für chinesische Geschichte begeben oder indem man einen der zahlreichen Tempel und Restaurants besucht, die von chinesisch-stämmigen Malaysiern betrieben werden. Wer sich ein bisschen wie im Kühlschrank fühlen möchte, sollte eine der gewaltigen Shopping-Malls aufsuchen, wo die Temperaturen auf gefühlte Minusgrade herunter gekühlt werden.
Das Sarawak-Museum.
Ähnlich wie ein Aufenthalt in Penang erlaubt auch ein Besuch in Kuching Einblicke in eine spannende Historie, die vor allem durch einen (weißen) Mann entscheidend geprägt wurde. James Brooke, ein englischer Abenteurer, wurde im Jahr 1840 vom Sultan von Brunei zum Rajah von Sarawak ernannt. Mit seinem kampfstarken Schoner, der 'Royalist', stand er dem Sultan bei der Niederschlagung von Revolten der indigenen Dayak-Völker bei. Die Herrschaft der Brooke-Dynastie sollte bis kurz nach dem zweiten Weltkrieg andauern und wurde nur unterbrochen von der Besetzung Borneos durch die Japaner von 1942 bis 1945. Vielerorts in der Stadt erinnern Monumente und Gedenktafeln an diesen bedeutenden Teil von Sarawaks Geschichte. Obwohl James Brooke seine Herrschaft zum großen Teil mit militärischer Unterdrückung zementiert hat, gab es nach dem Zweiten Weltkrieg breiten Widerstand in der Bevölkerung, der sich gegen eine Eingliederung ins britische Kolonialreich gewandt hat. Im moderneren Flügel des etwas antiquiert anmutenden Sarawak-Museums gibt es viel über die Geschichte des Bundesstaates und ihrer prägenden Figuren zu lernen. Auch über Kultur und Traditionen von Sarawaks eingeborenen Stämmen lassen sich spannende Einblicke gewinnen.

Anfahrt zum Bako-Park.

Dutch-in-the-Tree.
Auch wenn das großartige Flair der Stadt an sich schon einen längeren Aufenthalt rechtfertigen würde, kommen doch die meisten Besucher nach Kuching, um die umliegenden Attraktionen zu erkunden. Nahezu verpflichtend ist ein Besuch im Bako-Nationalpark, einem weitläufigen Naturschutzgebiet, das an der Küste nördlich von Kuching gelegen ist. Schon die Anfahrt per Boot vorbei an einsamen Stränden, satt-grünen Küstenlandschaften und dichten Mangrovenwäldern ist eine lohnenswerte Erfahrung. Das Hauptquartier des Nationalparks, wo sich auch die rustikalen Übernachtungsmöglichkeiten befinden, ist direkt an einem Strand gelegen, an dem man schließlich mit dem Boot anlandet. Im Park selbst kann man auf zahlreichen markierten Pfaden und ohne einen Führer wandern gehen und in die abwechslungsreiche Landschaft eintauchen. Weite Küstenabschnitte, dichter Dschungel und felsige Hochebenen laden zu ausgedehnten Erkundungstouren ein. Starker Schweißfluss ist dabei vorprogrammiert. Die Pfade sind ähnlich wie in Nepal Sinuskurven-artig gestaltet und das feucht-warme Dschungelklima lässt einen alsbald transpirieren wie im Dampfbad. Umso verführerischer wäre es, sich an den malerischen Strandabschnitten ein Bad zu genehmigen. Leider wurde irgendwann mal im Park ein mysteriöses Phantom-Krokodil gesichtet, weshalb das Schwimmen nun nirgendwo mehr gestattet ist. 

Wenn das Krokodil nicht wär...

Kein Sonnenschutz...
Besonders bekannt ist das Naturschutzgebiet für seine artenreiche Fauna. Wer Tiere beobachten will, muss sich auch gar nicht großartig bewegen. Der mit Abstand aussichtsreichste Ort, um Makaken, bärtige Wildschweine und die berühmten Nasenaffen zu beobachten, ist der unmittelbare Umkreis des Parkhauptquartiers. Dort wühlen die haarigen Rüsseltiere in den Mülltonnen und lauern Makaken mit reichlich krimineller Energie, um Nahrung von arglosen Besuchern zu erbeuten. Mit ein bisschen Glück kann man auch die äußerst witzig und sympathisch daherkommenden Nasenaffen in den Baumwipfeln beobachten. Diese friedfertig wirkenden Wesen mit ihren knolligen Zinken, den Knopfaugen, langen Schwänzen und rötlichen Genitalien werden von den Einheimischen auch augenzwinkernd 'Dutch-in-the-Tree' genannt.  Faszienierend gestalten sich auch die Nachtwanderungen, auf denen einheimische Guides durch den finsteren Dschungel führen und die nachtaktive Tierwelt erklären. Was dabei ans Licht der Taschenlampen kommt, erscheint interessant und außerirdisch zugleich. Gewaltige Stab-Insekten, überdimensionierte Heuschrecken, Taranteln und Skorpione kreuzten unseren Weg.

Im Dschungel.

Schweine und Sonnenuntergänge.
Ein bisschen enttäuscht war ich allerdings, dass das mysteriöse Phantom-Krokodil im Bako-Park nun doch nicht meinen Weg gekreuzt hat. Um doch noch ein paar Krokodile zu Gesicht zu bekommen, die in der Wildnis nur noch äußerst selten anzutreffen sind, hab ich mich von Kuching aus auf einen Tagesausflug zu Jong's Crocodile-Farm begeben. Es dürfte unschwer zu erraten sein, wer oder was in diesem Etablissement die Besucher anlockt. Besonders zu den Fütterungszeiten ist die Farm stark frequentiert. Wer wie ich kurz vor Ende der Besuchszeiten aufkreuzt, findet eine nahezu menschenleere Anlage vor, wo die Angestellten eher gelangweilt auf ihren Smartphones herum wischen. Auch die Tiere scheinen in der drückenden Nachmittagshitze keinen großartigen Bewegungsdrang zu verspüren. Scheinbar lethargisch und vollkommen regungslos verharren sie in ihren grünlichen Tümpeln oder nehmen bei aufgesperrtem Maul ein Sonnenbad. Unterschätzen sollte man diese Kreaturen aber besser nicht. Das Salzwasserkrokodil ist auch einem menschlichen Happen keineswegs abgeneigt. Wer sich dazu gerne makabere Bilder anschauen möchte, wird in den Innenräumen von Jong's Crocodile-Farm fündig werden. Dort wird eine Fotoausstellung gezeigt, die unter anderem thematisiert, wie die Überbleibsel eines vermissten, achtjährigen Jungen aus dem Magen eines erlegten Krokodils geborgen werden. Besser vorher nichts essen.

Schiefe Schnauze.
Natürlich ist keine Reise nach Borneo komplett, ohne ein Orang-Utan-Reservat gesehen zu haben. Rund um Kuching bestehen diesbezüglich verschiedene Optionen. Ich entschied mich für einen Besuch des Matang-Wildlife-Centers, der sich wunderbar mit einem Aufenthalt im Kubah-Nationalpark verbinden ließ. Vom Hauptquartier des Nationalparks waren es etwa drei Stunden Fußmarsch durch dampfigen Dschungel und über Blutegel-bevölkerte Pfade nach Matang, wo neben Orang-Utans auch andere seltene Spezies wie Nashornvögel, Wildkatzen und Krokodile untergebracht sind. Wer zum ersten Mal einem Orang-Utan direkt begegnet, wird überrascht sein, wie menschlich diese Kreaturen wirken. Auf den ersten Blick sind es vor allem die Augen, die eine starke Ähnlichkeit vermuten lassen. Aber auch ihr komplexes Sozialverhalten und die Individualität ihrer Biographien scheint diesen Tieren einen sehr humanoiden Charakter zu verleihen.

Wasser von oben nach unten...

Wer ist da neugierig?
Die Mehrzahl der Tiere in Matang leben wurden aus den Händen von Privatsammlern oder Wilderern gerettet und sollen sukzessive wieder an ein (Über-)leben im Dschungel und in der Gesellschaft ihrer Artgenossen herangeführt werden. Nicht bei allen gelingt dies auf Anhieb. Insbesondere männliche Orang-Utans können zu sehr imposanten Kraft- und Testosteron-Maschinen heranreifen, die sich dann in der Gruppe um die Krone des Alpha-Männchens streiten. Im Zuge solcher Rivalitäten kann es auch gerne mal zu Erblindungen oder Knochenbrüchen kommen. Die Weibchen gehen in der Regel etwas friedfertiger miteinander um und tummeln sich auch außerhalb der Gehege in den Baumwipfeln.

Auf dem Weg nach Damai.
Nach so viel Kultur, Natur und Wanderausflügen hielt ich es schließlich noch für angebracht, einen Tag am Strand zu verbringen. Im nahen Umkreis von Kuching gibt es dafür nicht allzu viel Auswahl. Eigentlich existiert nur ein einziger ausgewiesener Badestrand namens Damai-Beach, der von einem einzigen großen Ressort (dem Damai-Beach-Ressort) eingenommen wird. Auch hier gilt wieder: ohne Schweiß kein Preis. Der einzige öffentliche Bus nach Damai wurde offenbar vor Kurzem eingestellt. Ich lasse mich also vom britischen Eigentümer meiner Herberge überzeugen, den Weg auf dem Fahhrad zurückzulegen. Es wird ein kleiner Mini-Triathlon für Arme. Erst Radfahren durch Kuching und seine unmittelbare Umgebung, im Anschluss ein paar Schwimmrunden am Damai-Beach und auf dem Rückweg noch ein kleiner Abstecher in den Santubong-Nationalpark, wo ich eine kleine Wanderrunde drehe. Mein Schälchen Reis habe ich mir heute jedenfalls redlich verdient.   

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