Gerade sitze ich am Dock
des Flusshafens und warte auf mein Schiff, das mich flussabwärts ins
Innere des Bundesstaates Sarawak auf der Insel Borneo bringen soll.
Der Himmel ist bedeckt, aber es gibt keine Anzeichen von Regen. In
meinem Kaffee befindet sich wie immer zu viel Zucker. Die Flussfahrt
markiert das Ende meines über zehntägigen Aufenthalts in Sarawaks
Hauptstadt Kuching und deren Umgebung. Ähnlich wie in Penang, so
habe ich mich auch ein bisschen in Kuching verliebt, was in der
malaiischen Sprache 'Katze' bedeutet. Auch Kuching bietet eine
wundervoll charmante Atmosphäre und darüber hinaus noch Zugang zu
einzigartigen Naturreservaten, wo sich die Flora und Fauna Borneos
hautnah erleben lässt.
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Flair. |
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Straßenbilder. |
Meine Ankunft in Kuching
indes erfolgte mal wieder in etwas derangiertem und übernächtigtem
Zustand. Der Flug, den ich von Penang aus nahm, sollte morgens um 7
Uhr starten. Also wollte ich mir gleich die Nacht in der Herberge
sparen und habe meinen Schlafsack auf einer Sitzgelegenheit im
Flughafen-McDonalds ausgebreitet. Die Nacht war kurz und schlaflos.
Das Licht blieb andauernd eingeschaltet und zu allem Überfluss wurde
auf einem Flachbildfernseher Tennis übertragen. Nach dem
zweistündigen Flug stand dann noch die übliche Odyssee vom
Flughafen zur Unterkunft bevor, die man sich durch weniger Geiz hätte
ersparen können. So durfte ich noch bei vollem Marschgepäck und
steigender Sonne, die auf Borneo eine besonders intensive Strahlkraft
entfaltet, etwa 2 Kilometer an der Straße entlang zur Bushaltestelle
trotten.
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Die Waterfront. |
Gelohnt hat sich der
Marsch allemal. Kuching versprüht eine einzigartige Atmosphäre, die
besonders im Umfeld der 'Waterfront' spürbar wird, Kuchings
Flusspromenade. Hier flaniert man vorbei an weißgetünchten Gebäuden
im englischen Stil und kann sich im Schatten der ausladenden Bäume
von der feuchtwarmen Hitze erholen. In den zahlreichen Geschäften
lässt sich jede Art von Borneo-Souvenier erstehen, vom Iban-Speer
bis zum Orang-Utan-T-Shirt. In den Cafés und kleinen Restaurants
genießt man am besten einen kräftigen Sarawak-Kaffee oder den
traditionellen Sarawak-Laksa (eine Art Nudelsuppe mit fischiger
Note). Lohnenswert ist es auch, sich für ein paar Minuten auf eine
Bank am Wasser zu setzen, dem Treiben zuzusehen und auf die andere
Flussseite zu blicken, wo sich das mondäne Anwesen des Gouverneurs
von Sarawak, das ehemalige Fort Margeritha sowie der wuchtige,
goldfarbene Regierungssitz in Form einer gigantischen Zitronenpresse
befinden. Auf die Spuren der chinesischen Gemeinde kann man sich im
Museum für chinesische Geschichte begeben oder indem man einen der
zahlreichen Tempel und Restaurants besucht, die von
chinesisch-stämmigen Malaysiern betrieben werden. Wer sich ein
bisschen wie im Kühlschrank fühlen möchte, sollte eine der
gewaltigen Shopping-Malls aufsuchen, wo die Temperaturen auf gefühlte
Minusgrade herunter gekühlt werden.
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Das Sarawak-Museum. |
Ähnlich wie ein
Aufenthalt in Penang erlaubt auch ein Besuch in Kuching Einblicke in
eine spannende Historie, die vor allem durch einen (weißen) Mann entscheidend geprägt
wurde. James Brooke, ein englischer Abenteurer, wurde im Jahr 1840
vom Sultan von Brunei zum Rajah von Sarawak ernannt. Mit seinem
kampfstarken Schoner, der 'Royalist', stand er dem Sultan bei der
Niederschlagung von Revolten der indigenen Dayak-Völker bei. Die
Herrschaft der Brooke-Dynastie sollte bis kurz nach dem zweiten
Weltkrieg andauern und wurde nur unterbrochen von der Besetzung
Borneos durch die Japaner von 1942 bis 1945. Vielerorts in der Stadt
erinnern Monumente und Gedenktafeln an diesen bedeutenden Teil von
Sarawaks Geschichte. Obwohl James Brooke seine Herrschaft zum großen
Teil mit militärischer Unterdrückung zementiert hat, gab es nach
dem Zweiten Weltkrieg breiten Widerstand in der Bevölkerung, der
sich gegen eine Eingliederung ins britische Kolonialreich gewandt
hat. Im moderneren Flügel des etwas antiquiert anmutenden
Sarawak-Museums gibt es viel über die Geschichte des Bundesstaates
und ihrer prägenden Figuren zu lernen. Auch über Kultur und
Traditionen von Sarawaks eingeborenen Stämmen lassen sich spannende
Einblicke gewinnen.
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Anfahrt zum Bako-Park. |
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Dutch-in-the-Tree. |
Auch wenn das großartige
Flair der Stadt an sich schon einen längeren Aufenthalt
rechtfertigen würde, kommen doch die meisten Besucher nach Kuching,
um die umliegenden Attraktionen zu erkunden. Nahezu verpflichtend ist
ein Besuch im Bako-Nationalpark, einem weitläufigen
Naturschutzgebiet, das an der Küste nördlich von Kuching gelegen
ist. Schon die Anfahrt per Boot vorbei an einsamen Stränden,
satt-grünen Küstenlandschaften und dichten Mangrovenwäldern ist
eine lohnenswerte Erfahrung. Das Hauptquartier des Nationalparks, wo
sich auch die rustikalen Übernachtungsmöglichkeiten befinden, ist
direkt an einem Strand gelegen, an dem man schließlich mit dem Boot
anlandet. Im Park selbst kann man auf zahlreichen markierten Pfaden
und ohne einen Führer wandern gehen und in die abwechslungsreiche
Landschaft eintauchen. Weite Küstenabschnitte, dichter Dschungel und
felsige Hochebenen laden zu ausgedehnten Erkundungstouren ein.
Starker Schweißfluss ist dabei vorprogrammiert. Die Pfade sind
ähnlich wie in Nepal Sinuskurven-artig gestaltet und das
feucht-warme Dschungelklima lässt einen alsbald transpirieren wie im
Dampfbad. Umso verführerischer wäre es, sich an den malerischen
Strandabschnitten ein Bad zu genehmigen. Leider wurde irgendwann mal
im Park ein mysteriöses Phantom-Krokodil gesichtet, weshalb das
Schwimmen nun nirgendwo mehr gestattet ist.
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Wenn das Krokodil nicht wär... |
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Kein Sonnenschutz... |
Besonders bekannt ist das
Naturschutzgebiet für seine artenreiche Fauna. Wer Tiere beobachten
will, muss sich auch gar nicht großartig bewegen. Der mit Abstand
aussichtsreichste Ort, um Makaken, bärtige Wildschweine und die
berühmten Nasenaffen zu beobachten, ist der unmittelbare Umkreis des
Parkhauptquartiers. Dort wühlen die haarigen Rüsseltiere in den
Mülltonnen und lauern Makaken mit reichlich krimineller Energie, um
Nahrung von arglosen Besuchern zu erbeuten. Mit ein bisschen Glück
kann man auch die äußerst witzig und sympathisch daherkommenden
Nasenaffen in den Baumwipfeln beobachten. Diese friedfertig wirkenden
Wesen mit ihren knolligen Zinken, den Knopfaugen, langen Schwänzen
und rötlichen Genitalien werden von den Einheimischen auch
augenzwinkernd 'Dutch-in-the-Tree' genannt. Faszienierend gestalten sich auch die Nachtwanderungen, auf denen einheimische Guides durch den finsteren Dschungel führen und die nachtaktive Tierwelt erklären. Was dabei ans Licht der Taschenlampen kommt, erscheint interessant und außerirdisch zugleich. Gewaltige Stab-Insekten, überdimensionierte Heuschrecken, Taranteln und Skorpione kreuzten unseren Weg.
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Im Dschungel. |
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Schweine und Sonnenuntergänge. |
Ein bisschen enttäuscht
war ich allerdings, dass das mysteriöse Phantom-Krokodil im
Bako-Park nun doch nicht meinen Weg gekreuzt hat. Um doch noch ein
paar Krokodile zu Gesicht zu bekommen, die in der Wildnis nur noch
äußerst selten anzutreffen sind, hab ich mich von Kuching aus auf
einen Tagesausflug zu Jong's Crocodile-Farm begeben. Es dürfte
unschwer zu erraten sein, wer oder was in diesem Etablissement die
Besucher anlockt. Besonders zu den Fütterungszeiten ist die Farm
stark frequentiert. Wer wie ich kurz vor Ende der Besuchszeiten
aufkreuzt, findet eine nahezu menschenleere Anlage vor, wo die
Angestellten eher gelangweilt auf ihren Smartphones herum wischen.
Auch die Tiere scheinen in der drückenden Nachmittagshitze keinen
großartigen Bewegungsdrang zu verspüren. Scheinbar lethargisch und
vollkommen regungslos verharren sie in ihren grünlichen Tümpeln
oder nehmen bei aufgesperrtem Maul ein Sonnenbad. Unterschätzen
sollte man diese Kreaturen aber besser nicht. Das Salzwasserkrokodil
ist auch einem menschlichen Happen keineswegs abgeneigt. Wer sich
dazu gerne makabere Bilder anschauen möchte, wird in den Innenräumen
von Jong's Crocodile-Farm fündig werden. Dort wird eine
Fotoausstellung gezeigt, die unter anderem thematisiert, wie die
Überbleibsel eines vermissten, achtjährigen Jungen aus dem Magen
eines erlegten Krokodils geborgen werden. Besser vorher nichts essen.
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Schiefe Schnauze. |
Natürlich ist keine
Reise nach Borneo komplett, ohne ein Orang-Utan-Reservat gesehen zu
haben. Rund um Kuching bestehen diesbezüglich verschiedene Optionen.
Ich entschied mich für einen Besuch des Matang-Wildlife-Centers, der
sich wunderbar mit einem Aufenthalt im Kubah-Nationalpark verbinden
ließ. Vom Hauptquartier des Nationalparks waren es etwa drei Stunden
Fußmarsch durch dampfigen Dschungel und über Blutegel-bevölkerte
Pfade nach Matang, wo neben Orang-Utans auch andere seltene Spezies
wie Nashornvögel, Wildkatzen und Krokodile untergebracht sind. Wer
zum ersten Mal einem Orang-Utan direkt begegnet, wird überrascht
sein, wie menschlich diese Kreaturen wirken. Auf den ersten Blick
sind es vor allem die Augen, die eine starke Ähnlichkeit vermuten
lassen. Aber auch ihr komplexes Sozialverhalten und die
Individualität ihrer Biographien scheint diesen Tieren einen sehr
humanoiden Charakter zu verleihen.
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Wasser von oben nach unten... |
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Wer ist da neugierig? |
Die Mehrzahl der Tiere in Matang
leben wurden aus den Händen von Privatsammlern oder Wilderern
gerettet und sollen sukzessive wieder an ein (Über-)leben im
Dschungel und in der Gesellschaft ihrer Artgenossen herangeführt
werden. Nicht bei allen gelingt dies auf Anhieb. Insbesondere
männliche Orang-Utans können zu sehr imposanten Kraft- und
Testosteron-Maschinen heranreifen, die sich dann in der Gruppe um die
Krone des Alpha-Männchens streiten. Im Zuge solcher Rivalitäten
kann es auch gerne mal zu Erblindungen oder Knochenbrüchen kommen.
Die Weibchen gehen in der Regel etwas friedfertiger miteinander um
und tummeln sich auch außerhalb der Gehege in den Baumwipfeln.
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Auf dem Weg nach Damai. |
Nach so viel Kultur,
Natur und Wanderausflügen hielt ich es schließlich noch für
angebracht, einen Tag am Strand zu verbringen. Im nahen Umkreis von
Kuching gibt es dafür nicht allzu viel Auswahl. Eigentlich existiert
nur ein einziger ausgewiesener Badestrand namens Damai-Beach, der von
einem einzigen großen Ressort (dem Damai-Beach-Ressort) eingenommen
wird. Auch hier gilt wieder: ohne Schweiß kein Preis. Der einzige
öffentliche Bus nach Damai wurde offenbar vor Kurzem eingestellt. Ich lasse mich also vom britischen Eigentümer meiner Herberge überzeugen, den Weg auf dem Fahhrad zurückzulegen. Es wird ein kleiner Mini-Triathlon für Arme. Erst Radfahren durch Kuching und seine unmittelbare Umgebung, im Anschluss ein paar Schwimmrunden am Damai-Beach und auf dem Rückweg noch ein kleiner Abstecher in den Santubong-Nationalpark, wo ich eine kleine Wanderrunde drehe. Mein Schälchen Reis habe ich mir heute jedenfalls redlich verdient.
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