Mittwoch, 28. August 2013

Der lange Lappen von Jakarta

Gunung Salak
Etwa eine Stunde Zugfahrt durch die endlosen Wellblechburgen von Jakarta fuehren einen in das ehemals beschauliche Doerfchen Bogor. Ich sage ehemals, weil der Riesenkraken inzwischen auch diese kleine Oase niedergewalzt hat. Das allgemeine Verkehrschaos ist ebenso omnipraesent wie in Down-town-Jakarta zur besten Stosszeit. Natuerlich steht auch hier eine bombastische Shopping-Mall und die ueblichen Verdaechtigen haben sich breitgemacht, darunter natuerlich der Huehner-frittierende Fastfood-Colonel und Ronald McDonald`s asiatischer Schwippschwager.

Kebun-Raya
Wie im letzten Post angedeutet, war letzterer sogar ein echter Glueckstreffer. In Deutschland ist der Mc`Donalds ja mehr ein Ort, wo sich die Bahnhofsjugend zum Happy-Slapping verabredet. In Indonesien hingegen ist er ein Bespassungsparadies der exklusiven Sorte, wo die obere Mittelschicht ihre labbrigen Burger verspachtelt, als waeren es Austern. Ein Ambiente wie in einer besseren Hotellobby. Das Innere ist auf milde 23 Grad heruntergekuehlt, vor der Tuer parken SUVs, an der Wand haengen Plasmabildschrime.
Es gibt eine eigene Spielecke fuer Kinder, Computer mit Internetzugang und ein poliertes Messingschild mit dem Namen des Managers. Was man bisher nur aus Spongebob kannte, ist Wirklichkeit geworden. Wer sich besondere Verdienste ums Burgerbraten erwirbt, wird als Mitarbeiter des Monats verewigt. Ausserdem fuer jeden Handgriff Personal. Dass Indonesien noch immer eine Arbeitslosenquote von knapp 6% hat, ist kaum zu glauben. Es gibt mehrere Parkplatzanweiser, Wachmaenner und einen Angestellten, dessen einzige Aufgabe es ist, den Gaesten die Tuer aufzuhalten und debil zu grinsen.


Kebun-Raya
Was Bogor letztlich von Jakarta abhebt, ist deutlich reinere Luft und das moderate Klima, was es in erster Linie seiner gruenen Lunge zu verdanken hat, dem grossartigen Botanischen Garten Kebun-Raya.
Obwohl das etwa 87-Hektar grosse Areal von Bogors Hauptverkehrsader umzauent ist, fuehlt man sich doch ein bisschen wie im Elysium, wenn man gemaechlich durch die schattigen Haine spaziert. Besonders beeindruckend sind die gewaltigen endemischen Baeume mit ihren seltsam veraestelten Wurzeln. Und solange man seinen Besuch nicht unbedingt fuer Sonntag plant, bleibt man auch von Fotowuenschen und fanatischen Groupies verschont.

Dafuer sind die Naechte ausserordentlich kurz. Aus Mangel an Alternativen hat man sich fuer eine sehr preiswerte Pension entschieden. Die einzigen anderen Gaeste, die dort noch hausen, sind sehr stattliche Exemplare der Gattung Rattus Norwegicus. Auch ansonsten gibt es alles, was das Bagpacker-Herz begehrt.

Die Baeume haben Wurzeln


Ein Minimum an Komfort und ein Maximum an Unhygiene. Besonders praktisch ist es uebrigens, neben einer Moschee zu wohnen und Horden von Gekos an seiner Zimmerdecke zu dulden. Wie schon gesagt, man erwacht frueh. Mindestens um vier Uhr. Dann wird entweder der Muezzin von nebenan aktiv und beschallt dich eine halbe Stunde lang mit Allahu-Akbar-Gesaengen oder die Gekos fangen an, dir aufs Gesicht zu scheissen. Nichtsdestotrotz hat man morgens einen sehr malerischen Ausblick ueber die roten Daecher von Bogor bis zum Vulkan Gunung Salak. Weiter gehts nach Yogyakarta...

Sonntag, 25. August 2013

Ich rieche nach jakarta. Meine Kleidung ist inpraegniert mit dem Geruch dieser Stadt. Es ist ein herber Geruch, ein Gestank fuer jede europaeische Nase. Ein Gemisch aus Smog und suesslicher Verwesung, oben drauf alle 50 Meter ein Schwall Kloake. Die Kanalisation ist marode und verlaeuft direkt am Strassenrand, nur unzureichend bedeckt von loechrigen Betonplatten.
Ratten und Kakerlaken sind wohlgenaehrter als die duerren Kaetzchen, die unter den Tischen der zahllosen Strassenkuechen nach Futter maunzen.



Skyline bei Tag
Jakarta ist ein Moloch, eine asiatische Gigametropole, die ihrer eigenen Groesse nicht gewachsen ist. Von frueh bis spaet herrscht durchgaengig anarchisches Gestopfe und Gedraenge auf den Strassen, die heil zu ueberqueren die erste Herausforderung an jeden Fremden darstellt. Der Verkehr in Jakarta kennt nur das Recht des hoeheren Risikos, jeder ist sich selbst der Naechste und versucht sich so eilig und halsbrecherisch wie moeglich durch durch die Massen zu schieben und sofort in jede frei werdende Luecke zu stossen. Die beste Art, dieses Chaos naeher kennenzulernen, ist eine Fahrt mit dem Threewheeler waehrend der Rush-Hour. Ich war immer wieder erstaunt, wie es sein kann, dass die Leute von drei Seiten gleichzeitig Vollgas gaben und unser windiges Gefaehrt trotzdem nicht zerquetscht oder zumindest touchiert wurde.



Regierungsviertel
Wie in jeder Schwellenmetropole ist auch das Leben in Jakarta ein Spiel der Kontraste. Im Zentrum stoesst man auf groessenwahnsinnige Shopping-Malls mit greller Leuchtreklame, die noch nicht einmal zur Haelfte mit Geschaeften gefuellt sind. Auch die Vertreter westlich-konsumfreudiger Lebensart haben in grosser Zahl Einzug gehalten. Jakarta hat weder eine funktionierende Abfallentsorgung, noch eine intakte Kanalistation, noch ein effizientes oeffentliches Nahverkehrssystem, aber dafuer ungefaehr 10.000 Mal Kentucky-Fried -Chicken. Fastfood ist ein Statussymbol.


Die Monas
Nur etwa 50 Meter weiter die selbe Strasse entlang liegen Muetter mit ihren halbverhungerten Babies auf der Strasse und Fuenfjaehrige tragen ihre heulenden, aufgeblaehten Geschwisterchen durch die Fresstempel der Stadt, um ein paar Muenzen zu erbetteln. Geht man weitere 50 Meter die Strasse entlang, stehen da ein Mann und eine Frau. Die Frau traegt Pfennigabsaetze, Handtasche und Minirock, ihr Gesicht ist weissgetuencht wie da einer Geisha, darunter zeichnen sich Falten ab. "I love you", ruft sie mir zu. Als ich sie ignoriere, laeuft mir der Mann ein Stueck hinterher. Er laechelt mich an und macht eigentlich einen freundlichen Eindruck. Er bietet mir die Frau fuer 500.000 Rupiah an, Massage und Sex fuer etwa 40 Euro. Ueberdurchschnittlich teuer, aber wahrscheinlich liegt es daran, dass er die anspruchslose Dame aus ihrem angestammten Revier in die Naehe der Bagpacker-Meile Jalan Jaksa geschleift hat, wo man Sex teurer verkaufen kann als in den verrufenen Rotlichtbezirken der Vorstaetdte, wohin sich kaum ein Auslaender verirrt.


Fans
 Ueberhaupt, Auslaender sind etwas Besonderes. Ich spuerte das am deutlichsten bei meinem Besuch des Nationaldenkmals im Herzen von Central-Jakarta. Die Monas, wie die Einheimischen es nennen, ist ein 132-Meter-hoher Phallusbau aus Italienischem Marmor, gekroent von einer Flamme aus massivem Gold.
An der Spizte befindet sich eine Aussichtsplattform, von der aus man - falls der Smog sich lichtet - grosse Teile der Stadt ueberblicken kann. Im Keller wird mit Hilfe von possierlichen kleinen Dioramen die Geschichte des Inselreiches propagandagerecht vorgekaut. Einheit seit der Urzeit wird da beschworen. Die Diversitaet der ueber 17.000 Inseln und 300 verschiedenen Ethnien, das viele Blut und die vielen inneren wie auesseren Konflikte, aus denen das moderne Indonesien hervorging, werden da grosszuegig ausgespart.
Man konzentriert sich auf die schwarzen Zahlen, also meistens heldenhafte Niederlagen gegen die hollaendische Besatzungsmacht.

Den groessten Teil der Besucher machen einheimische Touristen aus, als Auslaender geniesst man einen gewissen Seltenheitswert. Ich muss gestehen, dass ich noch nie einen derartigen Rummel um meine Person erlebt habe wie auf dieser engen Aussichtsplattform auf der Monas in Jakarta. Ich fuehlte mich ein bisschen wie ein Held oder zumindest wie Guttenberg zu seinen besten Zeiten.
Es beginnt ganz harmlos. Jemand ringt sich dazu durch und bittet um ein Foto. Man gewaehrt es ihm, die anderen verlieren ihre Scheu und tun es ihm gleich.
Bald werden einem Saeuglinge in die Hand gedrueckt, dann entstehen Gruppenbilder mit ganzen Sippschaften, alte Weiber mit bunten Kopftuechern draengeln sich in Scharen vor die Linse. Man soll mal sitzen, mal stehen, mal den Arm um die Schulter legen. Man ist geduldig, laechelt, laesst sich auch noch das zwanzigste Mal bitten. Ich fuehlte mich zunaechst ein bisschen geschmeichelt, obwohl es ja nur der Tatsache geschuldet war, dass ich kein bisschen indonesisch aussehe und die meisten von ihnen turmhoch ueberrage.
Da die lieben Leute aber mit ihren Fotowuenschen immer penetranter wurden, war ich aber doch heilfroh, als der kurze Ruhm wieder verflogen war und es im Aufzug abwaerts ging.


Die Kota
Ein wenig koloniales Flair atmet die Kota, das Altstadtviertel noerdlich des Zentrums. Ich fuehlte mcih ein bisschen an Galle erinnert, meine alte Wirkungsstaette in Sri Lanka. Weissgetuenchte Kolonialbauten, dazwischen schattige altehrwuerdige Baeume, Oldtimer aus den Dreissigerjahren, ein paar Strassenkuenstler und das versnobte Cafe Batavia. Im Gegensatz zum gruendlich sanierten Galle-Fort aber, wurde die Kota straeflich vernachlaessigt.



Die Muellbruecke
Die Bausubstanz ist in grossen Teilen verrottet, der von den Hollaendern angelegte Kali-Besar-Kanal ist zu einem duennen Faekalienrinnsaal verkommen, die einzig erhaltene historische Bruecke dient den Aermsten als Wohnung und
dem ganzen Viertel als Muelldeponie. Aber die Maengel sind ja bekannt und anscheinend ist man um Besserung bemueht. Bei meinem Gang durch die Kota liess ich ich mich zu einer Umfrage ueberreden. Jakarta soll attraktiver fuer Touristen werden und dafuer moechte man den Status-Quo sondieren. Das Urteil musste groesstenteils vernichtend ausfallen. Auf die Frage: what was your first impression of Jakarta?, antwortete ich wahrheitsgemaess: a very bad smell. Trotzdem gabs zur Belohnung einen Block mit der Aufschrift: Enjoy your visit in Jakarta.



Die Schatten
Und das habe ich tatsaechlich getan. Ich schreibe diese Zeilen aus einer McDonald`s-Filiale in Bogor, etwas ausserhalb von Jakarta, der einzige Platz in der Gegend, wo es noch Computer und nicht nur Wi-Fi gibt.
Wenn ich so zurueckblicke waren die vier Tage, die ich in Jakarta verbracht habe, die anstrengendsten, aber auch aufregendsten seit langem.
Weder ich, noch irgendwer, den ich kenne, wuerde sich in dieser Stadt langfristig wohlfuehlen oder koennte gar dort leben. Es ist zu laut, zu dreckig, zu voll, man ueberreizt innerhalb von Tagen und ist gluecklich, dem Moloch wieder entflohen zu sein.


Das Leben
Aber Jakarta hat auch seine sonnigen Seiten. Es pulsiert vor Leben und man kann kaum einen Schritt tun, ohne neue Eindruecke in sich aufzusaugen. Die Strassen sind Tag und Nacht bevoelkert von Menschen, die an Strassenkuechen essen, schwatzen, rauchen, Musik machen, betteln, Handel treiben oder schlicht herumflacken. Als Auslaender fuehlt man sich sicher, die Kriminalitaetsrate ist im Vergleich zu anderen Metropolen erfreulich niedrig, die Menschen sind hilfsbereit und offenherzig. Man pflegt einen moderaten Islam, die meisten Frauen tragen die Haare offen und die Roecke kurz und man darf sich auch mal in der groessten Moschee Suedostasiens in die Gebetsraueme verlaufen, ohne gleich gelyncht zu werden. Wenn die kommenden Wochen ebenso bereichernd werden wie die vergangenen vier Tage, werde ich zufrieden wieder heimkehren.