Auf
einer trägen 10 stündigen Zugfahrt geht die Reise weiter von Shanxi
ins benachbarte Shaanxi, genauer gesagt in die Provinzhaupstadt
Xi'an. Xi'an könnte eine von vielen Millionenstädten in China oder
sonst wo auf der Welt sein. Es gibt gewaltige Wohnsilos, die in Reih
und Glied nebeneinander geklotzt wurden, es gibt U-Bahnen und
Shopping-Malls, es gibt viele Bausünden und kaum ein Fleckchen Erde,
das nicht zubetoniert wurde, es gibt Wallmarkt, KFC, Burgerking,
McDonald's, Starbuck's, Pizzahut, Gucci, einen Applestore, Audi Q7
und was man sonst noch zum Überleben in der Moderne benötigt, es
gibt viele Menschen, Lärm und noch mehr Feinstaub.
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Blick von der Mauer. |
Dabei kann Xi'an
auf eine glanzvolle Vergangenheit zurückblicken: Ehemalige
Reichshauptstadt unter den Tang-Kaisern sowie als Ausgangspunkt der
berühmten Seidenstraße ein kultureller Schmelztiegel, der
seinesgleichen gesucht hat. Vom vergangenen Ruhm zeugen noch heute
die vielen archäologischen Stätten, die sich in und um die Stadt
herum verteilen. Am populärsten sind sicherlich die
Terra-Cotta-Krieger, an denen kaum ein Besucher vorbeikommt. So auch
ich nicht.
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Must see?! |
Leider habe ich persönlich nicht allzu viel davon
mitgenommen, obwohl die Terra-Cotta-Krieger zu Recht als einzigartige
Kulturschätze gelten. Doch gerade der hohe Bekanntheitsgrad in
Kombination mit dem großen Marketingaufwand schaffen Erwartungen,
die in der Wirklichkeit kaum noch erfüllbar sind. Diese Wirklichkeit
besteht aus viel Kommerz, klaustrophobischem Gedränge und einem
Konzept, das im Kern darauf abzielt, die Besucherzahlen zu
maximieren. Das macht Einbußen an anderer Stelle fast unvermeidlich.
Das individuelle Besuchserlebnis bekommt den Charakter
einer Massenware. Doch damit stehen die Terra-Cotta-Krieger nicht
alleine da. Es ist ein Fluch, den alle international gehypten
Sehenswürdigkeiten anziehen wie Honig die Fliegen. Doch auch das sollte man
irgendwie genießen lernen.
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Auf dem Berg des schwarzen Pferdes. |
Generell scheint der Tourismus-Sektor
in China ein stark expandierender und hart umkämpfter Markt zu sein.
Es wird viel (und vielleicht nicht unbedingt mit Fingerspitzengefühl)
investiert und dementsprechend werden Renditen erwartet. Dies hat zur
Folge, dass so gut wie jeder Ort, der in irgendeiner Form einladend
wirkt, mit Zäunen und Ticketschaltern versehen wird. Doch mit ein
bisschen Dreistigkeit und einheimischer Hilfe lassen sich auch solche
Barrieren gelegentlich umgehen. Über versteckte Hinterhöfe,
Trampelpfade und auch mal quer Feld ein zeigt mir ein junger Chinese
den inoffiziellen Weg hinauf zum Berg des schwarzen Pferdes, von wo
aus man eine tolle Sicht auf Xi'an hat. An diesem Tag habe ich noch
mehr Glück. Das Wetter ist sonnig und es herrscht halbwegs klare
Sicht. Für den Nachmittag folge ich dann noch einer Einladung und
darf mir King Kong in einem chinesischen Kino ansehen. Leider nur mit
chinesischen Untertiteln.
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Durchs Muslimviertel. |
Was meinen Xi'an-Besuch noch enorm
bereichert, ist das pulsierende muslimische Viertel im Zentrum der
Altstadt. Hier fühlt man sich beinahe wie in eine andere Welt
versetzt. In einem Strom von Menschen treibe ich durch ein enges
Gassen-Gewirr und sauge die Atmossphäre in mich auf, die an einen
orientalischen Basar erinnert. Von überall her werde ich mit
exotischen Reizen bombadiert: grelle Lichter, laute Stimmen und
intensive Gerüche. Es dampft, es bruzelt, und man kann sich kaum
entscheiden, welche Köstlichkeit zuerst probiert werden soll. Das
gebratene Fleisch am Spieß, die handgemachten Nudeln, das
Nussgebäck, die frittierten Eier oder doch dieses andere appetitlich
wirkende Ding, das man nicht recht einordnen kann?
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Lädt zum Spachteln ein. |
Am Ende des Tages
ist der Bauch jedenfalls meistens voller als es vernünftig gewesen
wäre. Ist dem leiblichen Wohl dann zur Genüge gedient, lohnt sich
ein kleiner Abstecher zur großen Moschee des Viertels, einer wahren
Oase der Ruhe inmitten des Markt-Trubels. Hier sind die
arabisch-muslimischen Stil-Elemente so stark mit
traditionell-chinesischer Architektur verschmolzen, dass man die
Moschee kaum mehr als solche erkennen kann. Der Gebäudekomplex
erinnert viel mehr an einen chinesischen Tempel. Sogar das Minarett
hat die Form einer Pagode. Könnte man sich das in Deutschland
vorstellen? Minarette, die aussehen wie Kirchtürme?
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Die Moschee. Wer hätte das erkannt? |