Sonntag, 22. September 2013

Anti-Bali

Wenn man sich so umhoert, scheint Bali der Nabel Indonesiens zu sein. Fast jeder Reisende, den ich auf Java getroffen habe, kam von Bali oder wollte nach Bali. Aber warum eigentlich? Was hat Bali abgesehen von der geographischen Naehe zu Java denn Grossartiges zu bieten? Meine Ueberlegung war folgende: Wenn ich volle Strandhaubitzen sehen will, schalte ich RTL II ein, fuer billige Folklore den Musikantenstadl und halbnackte Weiber gibts zuhauf im Internet. All das kann ich auch zu Hause haben und noch dazu ohne mich finanziell zu runieren. Ob ich da jetzt masslos uebertreibe, sei mal dahingestellt. Aber Bali war jedenfalls gestorben.



Stattdessen beschloss ich die etwas abgelegenen Karimunjawa Islands zu besuchen, die etwa 80km noerdlich von Semarang, der Hauptstadt Zentraljawas, liegen. Schon allein die Anreise hat etwas Erhebendes. Am Bug des Schiffes zu stehen, durch die tiefblaue See zu schaukeln, den Wind im Gesicht und die Sonne im Nacken. Bereits nach einer Stunde Schifffahrt trifft man auf die ersten gruengesichtigen Javanesen und unter Deck weht ein Hauch von Erbrochenem, immer wieder wird unauffaellig in den Papierkorb gereiert. Auf Deck werden die ueblichen Fragen gestellt, die ueblichen Antworten gegeben, Fotos geschossen und Zigaretten getauscht. Die gaengigen Nazi-Assoziationen haben inzwischen fast ausgedient. Deutschland ist gaenzlich 'Baien Munschn' geworden.



 Nach etwa vier Stunden Fahrt kommt dann die Mangroven-bewachsene Hauptinsel des Atolls in Sicht, die wie ein entlegendes, tropisches Paradies aus dem Ozean ragt. Anders als Bali haben die Karimunjawas kaum internationales Flair, sondern eher rustikalen Charme. Die rund 9000 Einwohner (darunter sechs verschiedene Ethnien) leben groesstenteils in Karimun, dem einzigen kleinen Doerfchen mit Seehafen und
Bankfiliale. Nach Fischfang und Reisanbau haben die Einheimischen inzwischen auch den Tourismus fuer sich entdeckt.



 Jedes zweite Haus in Karimun fungiert als Homestay. Vor jedem Homestay steht das gleiche phantasielose Hinweisschild, mit freundlicher Unterstuetzung der hiesigen Tabakindustrie, die jedes einzelne gesponsert hat. Tagsueber wird der Strom abgeschaltet. Sanitaere Anlagen haben asiatischen Standard, bestehen also aus Schoepfkehlen-Dusche und Plumpsklo. Auf den maroden Starssen gackert das Ayam, Chicken oder auch gemeines Haushuhn genannt, das heimliche Wappentier Indonesiens.



 Über allem schwebt eine zähe tropische Hitze, die Sonne scheint wie durch ein Brennglas, Haut verbrennt innerhalb von Minuten. Man schwitzt Wasserfälle und registriert es kaum noch. Mein ambitionierter Plan, die Insel per Fahrrad zu erkunden erwies sich als reinstes Himmelfahrtskommando.
Zum einen wegen der genannten Hitze, zum anderen weil die Strasse zu 90% aus Schlaglöchern besteht und schließlich weil das Fahrrad zwei Nummern zu klein war. Alles Dinge, die irgendwie erst ins Gewicht fallen, wenn es zum Umkehren bereits zu spät ist. Mit dem Wasserweg hingegen kann man nichts falsch machen. Und gibt es einen besseren Weg, ein Archipel zu erkunden als per Boot? Im Hafen wird man schnell fündig und besteigt eine der langen, schmalen Nussschalen, die gewöhnlich zum Fischfang genutzt werden.


 Auf diese Weise taucht man ein in eine Welt, die man sonst nur von Postkarten und schwulstigen Urlaubsphantasien kennt. Das Motiv der einsamen Insel wurde real. Oder besser gesagt surreal. Denn im Rückblick fällt es mir schwer zu glauben, dass ich tatsächlich dort gewesen bin. Auf diesem wackligen Kutter bin ich an einsamen Tropeninseln gelandet, im Meer geschwommen, in Korallenriffe abgetaucht und an weißen Stränden entlang gelaufen. Wie der klassische Touri habe ich Meeresschildkröten, gewaltige Kugelfische und bunte Seesterne in Händen gehalten und bin in ein Becken mit gefangenen Haien gesprungen.



Schwermütigen Haien, die wohl aufgrund ihrer Depression jeglichen Appetit auf Fleisch verloren haben. Denn ich an ihrer Stelle hätte ein ordentliches Stück aus mir heraus gebissen. Im türkisfarbenen Wasser stehend habe ich abends Sonnenuntergänge gesehen und mittags unter Palmen gebratenen Fisch gegessen und Saft aus Kokosnüssen geschlürft. Ich bin durch Mangrovenwälder gestapft
und viel auf meinem Handtuch gelegen, hab mir die Beine an Korallen aufgeschlitzt und literweise Salzwasser geschluckt, während ich diese faszinierende Unterwasserwelt bestaunt habe. Ich habe Muscheln gesammelt und das Gefühl genossen, irgendwo weit weg von allem und jedem zu sein.



 Leider ist auch diese abgelegene Inselgruppe inzwischen in der indonesischen Wirklichkeit angekommen. Im aktuellen Lonely Planet schon als Highlight beworben, dürfte es mit der Beschaulichkeit recht bald vorbei sein. Mit steigenden Besucherzahlen dürften bald auch die Preise anziehen und der Tourismussektor stark expandieren, insbesondere im Luxussegment. Die schlimmste Plage des 21. Jahrhunderts aber heißt Plastik und macht auch vor den Karimunjawas nicht halt. Viel zu oft wird man aus seinen Träumereien gerissen, wenn man plötzlich auf grob vermüllte und verschmutzte Küstenstreifen trifft. Eine Bedrohung für den maritimen Nationalpark und das empfindliche Ökosystem, das er beherbergt. Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, irgendwann dorthin zurückzukehren und mir für ein paar Tage eine Insel zu mieten. Und ich hoffe inständig, keinen pazifischen Ballermann vorzufinden.






Donnerstag, 12. September 2013

Bromo - Ein erwartetes Abenteuer

Ganz unchronologisch greife ich vor und berichte von meinem Besuch am Mt. Bromo, dem heiligen Vulkan der Tengger im Osten Javas. Was es dort zu erleben gibt, ist kaum in Worten auszudruecken oder in Bildern zu fassen. Man muss es selbst erfahren haben. Und dennoch will ich hier den Versuch unternehmen, diese Erfahrung zu teilen:

Im Morgenrot
Alles beginnt mit einer beschwerlichen Anreise von Yogyakarta ueber Surabaya nach Probolinggo. Die letzte Etappe fuehrt ueber steile Serpentinenhinauf in das wolkenverhangene Bergdorf Cemoro Lawang. Die Nacht wird kurz. Um 2.00 Uhr erwacht man aus tiefem Schlummer, dehydriert und noch halb in seinen Traeumen verhaftet. Dann geht es aufwaerts. Mit Stirnlampe gegen die Dunkelheit und dicker Jacke gegen die schneidenden Winde, die hier oben wehen. Von der Landschaft ist nichts zu erkennen, alles ist tiefschwarz. Die Dorfbewohner waermen sich am Wegesrand an Lagerfeuern, rauchen und trinken Tee. Man kommt an einem kleinen Laden vorbei, es brennt Licht. Durchs Schaufenster sieht man Kekse. Es wird energisch gegen die Tuer gepocht.

Das Meer aus Sand
Mit frischen Kohlehydraten im Leib geht es weiter, immer nach oben. Langsam ist man aufgewaermt, die Muedigkeit faellt ab, das Tempo steigert sich. Nach etwa einer halben Stunde rasen die ersten Motorraeder an einem vorbei, nach einer weiteren halben Stunde dann die ersten Jeeps. Schliesslich ganze Blechlawinen, die sich die maroden Strassen hoch schieben, hinter den Scheiben muede weisse Gesichter.
Dann wieder Ruhe. Der Schweiss rinnt, man spuert die Feuchtigkeit am Ruecken. Der erste Checkpoint ist nicht mehr weit. Dick eingehuellte Gestalten sitzen in der Dunkelheit, kochen Tee, bieten Wasser und Suessigkeiten feil. Schliesslich steht man am Fusse des ersten Aussichtspunktes, der Morgen graut. Das letzte Stueck Weg hinauf passiert man eine Schlange von geparkten Gelaendefahrzeugen, Einheimische fuehren traurige Schindmaehren am Zuegel und bieten Transport an.



Jenseits der Asche
Hat man den ersten Aussichtspunkt erreicht, macht sich erstmal Enttaeuschung breit. Ein schwaches Panorama und Horden von Bleichgesichtern, die alle die gleiche Einheitstour gebucht haben. Doch der Spuk ist schnell vorueber, sobald man sich weiter vorwagt, hoeher ins Gebirge, selten genutzte Pfade empor. Die Tourgruppen werden nach einer halben Stunde Blitztlichtgewitter wieder in die Jeeps geladen und weiterverfrachtet. Man selbst sucht Entschleunigung, denn nur so laesst sich die Faszination dieser Landschaft begreifen.



Ein Dualismus
 Man muss sich diese Gegend wie eine Petrischale mit zerklueftetem Rand vorstellen. In der Mitte befindet sich das Bromo-Massiv, mit dem flachen Rauch-speienden Krater und Gunung Semeru im Hintergrund thronend. Je hoeher man steigt, desto klarer wird die Sicht, desto besser kommt das ueberwaeltigende Farbenspiel des Sonnenaufgangs zur Geltung. Man verweilt ein bisschen, raucht, laeuft weiter den Rand der Petrischale entlang. Vor einem in der Tiefe erstreckt sich das Meer aus Sand, eine karge Ebene aus Vulkanasche mit gelblischem Schwefelschimmer. Grossartig anzusehen, ist der Kontrast zwischen den ueppig-gruenen Huegeln um Cemaro Lawang und dem toten Grau des Sandmeeres, nur getrennt durch
einen schmalen Grat. Die Sonne steigt, immer neue Ausblicke eroeffnen sich, ueber ein Panorama aus Gruen und Grau. Affen kreuzen den Weg, man trifft auf eine fahrbare Suppenkueche, die hinten auf ein Moped geschnallt ist und genehmigt sich eine Staerkung.


Das klassische Motiv
 Schliesslich hat man den Bromo im Halbkreis umrundet und gelangt hinunter ins Meer aus Sand. Sofort verspuert man den Drang, auszuruhen. Es herrscht eine Alles verschlingende, beruhigende Stille. Nur von Zeit zu Zeit hoert man das Roehren eines Motorrades und den Wind, der ueber das duerre Gras und die Baueme an den Abhaengen streicht. Die Sonne brennt, man doest eine Weile und ist irgendwie mit sich im Reinen.



Der lange Marsch
Dann beginnt der Marsch durch den Staub, in Socken durch die heisse Vulkanasche in Richtung Bromo-Krater. Der trockene Wind schabt einem die Haut ab, kleine Sandstuerme geistern durch die Landschaft und der Staub setzt sich in den Lungen fest, erschwert jeden Schritt. Die Haut beginnt zu gluehen und nach einer gefuehlten Ewigkeit ist man am Fusse des Mt. Bromo. Obwohl es erst spaeter Vormittag ist, wirkt die Umgebung verlassen. Vermummte Einheimische reiten auf Pferden durch die Sandwueste, liegen in Tuecher gewickelt vor ihren Verkaufsstaenden, die Jeeps sind laengst weitergezogen.


Public transport
Am Fusse des Vulkanes liegt ein Tempel der Tengger, einer hinduistischen Minderheit im mehrheitlich muslimischen Indonesien. Der Berg ist ihnen heilig und viele Mythen ranken sich um den platten Nebeltrichter, seine Entstehungsgeschichte und seine Bedeutung fuer die Bergbewohner, die sich hierher zurueckzogen, als der Islam auf Java verbreitet wurde.
 In regelmaessigen Ritualen soll der Berg mit Opfergaben und Gebeten besaenftigt werden.  



Der Schlund
Wieder geht es ein humanes Stueck bergauf  zum Schlund. Korpulente Frauen auf klapprigen Maehren, penetranter Schwefeldunst, vereinzelt ein paar Souvenierhaendler, die ihren Job ernstnehmen, waehrend die Mehrheit Pause macht. Der Aufstieg ist schnell gemeistert und bald schaut man tief ins Erdinnere, nur getrennt durch ein schmales Gelaender, atmet Schwefeldunst und sieht dem weissen Rauch zu, den der Bromo bestaendig in den Himmel pafft.  





Es wird spaeter Nachmittag ehe man zurueck in der Herberge ist. Gute 14 Stunden koerperliche Belastung, Schlafmangel, Sonnenbrand, der Staub in den Lungen und das Ganzkoerper-Peeling im Sandmeer zeigen wuchtig ihre Wirkung. Aber die Sinne sind froh. Lassen wir noch einmal die Bilder fuer sich sprechen:

Silhouette


Semeru spuckt

Nach Sonnenaufgang

Das Meer aus Sand

Pause machen


Semeru spuckt wieder


Ein Hauch von Afghanistan

Am Schlund



Auszeit

                                                                          

Tempel
Suppenkaspar

        


Mittwoch, 4. September 2013

Kulturschwaerme

Sonnenaufgang ueber der Brobodur-Region
Kein Reisender, der Yogyakarta besucht, kommt an diesen massiven Steinhaufen vorbei. Borobodur und Prambanan heissen die ueber tausend Jahre alten Monumente, die die hinduistische ebenso wie die buddhistische Vergangenheit Javas repraesentieren. Mit unsaeglich viel Zeit, Muehe und Geld wurden diese bedeutendsten archaeologischen Staetten Indonesiens resauriert und bald danach zum UNESCO-Weltkulturerbe erklaert. Dementsprechend hoch waren auch meine Erwartungen. Der Sonnenaufgang ueber Borobodur, der lichte Morgen in Prambanan. Es sollten erhebende Momente werden. Aber wie das so ist mit hohen Erwartungen, sie werden gerne enttaeuscht. Denn die Atmossphaere in Borobodur und Prambanan ist in etwa so wuerdig und erhaben wie die im Legoland. Darueber beschweren kann man sich nicht. Wo es Attraktionen gibt, kommen Touristen. Wo es grosse Attraktionen gibt, kommen viele Touristen. Und viele Touristen sind zwar gut fuers Geschaeft, aber schlecht fuer Stimmung und Bausubstanz.


Borobodur
Wer am fruehen Morgen Borobodur besucht, trifft bereits auf Rudel von einheimischen Tourgruppen, die meist in einheitlicher Uniform und mit Teleobjektiven bewaffnet das Heiligtum unsicher machen. Auf den unteren und weniger fotogenen Etagen geht es noch ganz besinnlich zu, oben wird durchgaengig Jahrmarkt gefeiert. Was auf dem Nationaldenkmal in Jakarta noch neu und schmeichelhaft war, wird zur Geduldsprobe.
Kaum eine Minute bleibt zum ungestoerten Verweilen oder um die Aussicht ueber das ueppige Huegelland rund um Borobodur zu geniessen.
Excuse me, Mister? Can I take picture? Sorry Sir, photo please!


Prambanan
Prambanan, sozusagen der hinduistische Stiefbruder von Borobodur, ist zumindest frueh morgens noch erfreulich menschenleer. Denn die meisten Besucher buchen kombinierte Touren. Nach Sonnenaufgang Borobodur und dann direkt weiter nach Prambanan, um ein bisschen in der tropischen Mittagshitze zu koecheln und nebenbei noch ein paar Fotos zu schiessen. Die Kulisse hier ist indes gepreagt von
unzaehligen Muelltonnen , riesigen Verbotsschildern, die das Rauchen untersagen, und herumflackenden Arbeitern, die das herzlich wenig interessiert. Ein Teil der imposanten Hauptschreine ist zudem von dekorativen, blauen Plastikplanen eingehuellt. Eine kleine Reminiszenz and das schwere Erdbeben von 2006, durch das der Tempel schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Verantwortlich dafuer war der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Gunung Merapi, einer der aktivsten und gefaehrlichsten Vulkane der Welt, der zuletzt 2010 ausbrach und auch die Welterbestaetten nicht verschonte.


Prambanan
Nachdem man die Tempelanlagen hinter sich gelassen hat und sich gerade bewusst zu machen versucht, was man von den letzten Stunden ueberhaupt mitgenommen hat, wartet auch schon der naechste Spießrutenlauf. Aus dem kurzen Marsch zum Ausgang wird eine unfreiwillige Kaffeefahrt, denn sowohl hinter Prambanan, als auch hinter Borobodur wurden ganze Staedte aus Souvenierbuden hochgezogen. Vogelpfeifen, Blasrohre, Boegen, traditionelle Masken, Schattenpuppen und billiger Tand jeder Art und Form.
Irgendwo auf Java muss eine gewaltige Plunderfabrik stehen. Der angebotene Krempel gleicht sich naemlich ueberall bis aufs Haar. Und auch die fliegenden Haendler sind ueberall gleichermaßen penetrant. Sie belagern einen in Scharen und es kostet einigen Gleichmut, sie wieder abzuschütteln. Wahre Sadisten hingegen heucheln Interesse, druecken die armen Teufel auf einen Mindestpreis und lassen sie dann einfach stehen. Nicht dass ich zu sowas faehig waere.



Sorry Sir, photo please
Borobodur und Prambanan sind zweifellos architektonische Meisterwerke ihrer Zeit und alleine mit den kunstvollen Reliefen, die Szenen aus dem Leben des Buddha und aus dem Hinu-Epos Ramayana zeigen, koennte man sich tagelang beschaeftigen. Es angemessen zu wuerdigen, faellt trotzdem nicht leicht. Obwohl sie die Hoehepunkte meiner Reise markieren sollten, sind die Tage in Borobodur und Prambanan doch nur schwach im Gedaechtnis geblieben. Diese Orte sind Gerippe, es fehlt ihnen an der Authentizität, die sie vielleicht vor 1000 Jahren einmal gehabt haben, als es dort nur Glaeubige und Pilger gab. Zurückbleiben ein paar Fotos und das Gefuehl, es mal gesehen zu haben.


I make special price for you
Und die Erkenntnis, dass lange Arme immerwährendes Glueck bedeuten. Denn auf der obersten Ebene von Borobodur gibt es eine Buddha-Statue, die unter einer Stupa verborgen liegt. Wem es gelingt, durch die Oeffnungen die gefalteten Haende der Figur zu beruehren, soll nach alter Legende einen Wunsch frei haben. Fuer mich kein Problem, fuer die meisten Javanesen hingegen schon. Ausserdem gibt es wohl keine Regel, dass man sich nicht unendlich viele Wuensche wuenschen darf. Damit duerfte zumindest fuer den Rest meines diesseitigen Lebens nichts mehr schiefen.

 


Mittwoch, 28. August 2013

Der lange Lappen von Jakarta

Gunung Salak
Etwa eine Stunde Zugfahrt durch die endlosen Wellblechburgen von Jakarta fuehren einen in das ehemals beschauliche Doerfchen Bogor. Ich sage ehemals, weil der Riesenkraken inzwischen auch diese kleine Oase niedergewalzt hat. Das allgemeine Verkehrschaos ist ebenso omnipraesent wie in Down-town-Jakarta zur besten Stosszeit. Natuerlich steht auch hier eine bombastische Shopping-Mall und die ueblichen Verdaechtigen haben sich breitgemacht, darunter natuerlich der Huehner-frittierende Fastfood-Colonel und Ronald McDonald`s asiatischer Schwippschwager.

Kebun-Raya
Wie im letzten Post angedeutet, war letzterer sogar ein echter Glueckstreffer. In Deutschland ist der Mc`Donalds ja mehr ein Ort, wo sich die Bahnhofsjugend zum Happy-Slapping verabredet. In Indonesien hingegen ist er ein Bespassungsparadies der exklusiven Sorte, wo die obere Mittelschicht ihre labbrigen Burger verspachtelt, als waeren es Austern. Ein Ambiente wie in einer besseren Hotellobby. Das Innere ist auf milde 23 Grad heruntergekuehlt, vor der Tuer parken SUVs, an der Wand haengen Plasmabildschrime.
Es gibt eine eigene Spielecke fuer Kinder, Computer mit Internetzugang und ein poliertes Messingschild mit dem Namen des Managers. Was man bisher nur aus Spongebob kannte, ist Wirklichkeit geworden. Wer sich besondere Verdienste ums Burgerbraten erwirbt, wird als Mitarbeiter des Monats verewigt. Ausserdem fuer jeden Handgriff Personal. Dass Indonesien noch immer eine Arbeitslosenquote von knapp 6% hat, ist kaum zu glauben. Es gibt mehrere Parkplatzanweiser, Wachmaenner und einen Angestellten, dessen einzige Aufgabe es ist, den Gaesten die Tuer aufzuhalten und debil zu grinsen.


Kebun-Raya
Was Bogor letztlich von Jakarta abhebt, ist deutlich reinere Luft und das moderate Klima, was es in erster Linie seiner gruenen Lunge zu verdanken hat, dem grossartigen Botanischen Garten Kebun-Raya.
Obwohl das etwa 87-Hektar grosse Areal von Bogors Hauptverkehrsader umzauent ist, fuehlt man sich doch ein bisschen wie im Elysium, wenn man gemaechlich durch die schattigen Haine spaziert. Besonders beeindruckend sind die gewaltigen endemischen Baeume mit ihren seltsam veraestelten Wurzeln. Und solange man seinen Besuch nicht unbedingt fuer Sonntag plant, bleibt man auch von Fotowuenschen und fanatischen Groupies verschont.

Dafuer sind die Naechte ausserordentlich kurz. Aus Mangel an Alternativen hat man sich fuer eine sehr preiswerte Pension entschieden. Die einzigen anderen Gaeste, die dort noch hausen, sind sehr stattliche Exemplare der Gattung Rattus Norwegicus. Auch ansonsten gibt es alles, was das Bagpacker-Herz begehrt.

Die Baeume haben Wurzeln


Ein Minimum an Komfort und ein Maximum an Unhygiene. Besonders praktisch ist es uebrigens, neben einer Moschee zu wohnen und Horden von Gekos an seiner Zimmerdecke zu dulden. Wie schon gesagt, man erwacht frueh. Mindestens um vier Uhr. Dann wird entweder der Muezzin von nebenan aktiv und beschallt dich eine halbe Stunde lang mit Allahu-Akbar-Gesaengen oder die Gekos fangen an, dir aufs Gesicht zu scheissen. Nichtsdestotrotz hat man morgens einen sehr malerischen Ausblick ueber die roten Daecher von Bogor bis zum Vulkan Gunung Salak. Weiter gehts nach Yogyakarta...

Sonntag, 25. August 2013

Ich rieche nach jakarta. Meine Kleidung ist inpraegniert mit dem Geruch dieser Stadt. Es ist ein herber Geruch, ein Gestank fuer jede europaeische Nase. Ein Gemisch aus Smog und suesslicher Verwesung, oben drauf alle 50 Meter ein Schwall Kloake. Die Kanalisation ist marode und verlaeuft direkt am Strassenrand, nur unzureichend bedeckt von loechrigen Betonplatten.
Ratten und Kakerlaken sind wohlgenaehrter als die duerren Kaetzchen, die unter den Tischen der zahllosen Strassenkuechen nach Futter maunzen.



Skyline bei Tag
Jakarta ist ein Moloch, eine asiatische Gigametropole, die ihrer eigenen Groesse nicht gewachsen ist. Von frueh bis spaet herrscht durchgaengig anarchisches Gestopfe und Gedraenge auf den Strassen, die heil zu ueberqueren die erste Herausforderung an jeden Fremden darstellt. Der Verkehr in Jakarta kennt nur das Recht des hoeheren Risikos, jeder ist sich selbst der Naechste und versucht sich so eilig und halsbrecherisch wie moeglich durch durch die Massen zu schieben und sofort in jede frei werdende Luecke zu stossen. Die beste Art, dieses Chaos naeher kennenzulernen, ist eine Fahrt mit dem Threewheeler waehrend der Rush-Hour. Ich war immer wieder erstaunt, wie es sein kann, dass die Leute von drei Seiten gleichzeitig Vollgas gaben und unser windiges Gefaehrt trotzdem nicht zerquetscht oder zumindest touchiert wurde.



Regierungsviertel
Wie in jeder Schwellenmetropole ist auch das Leben in Jakarta ein Spiel der Kontraste. Im Zentrum stoesst man auf groessenwahnsinnige Shopping-Malls mit greller Leuchtreklame, die noch nicht einmal zur Haelfte mit Geschaeften gefuellt sind. Auch die Vertreter westlich-konsumfreudiger Lebensart haben in grosser Zahl Einzug gehalten. Jakarta hat weder eine funktionierende Abfallentsorgung, noch eine intakte Kanalistation, noch ein effizientes oeffentliches Nahverkehrssystem, aber dafuer ungefaehr 10.000 Mal Kentucky-Fried -Chicken. Fastfood ist ein Statussymbol.


Die Monas
Nur etwa 50 Meter weiter die selbe Strasse entlang liegen Muetter mit ihren halbverhungerten Babies auf der Strasse und Fuenfjaehrige tragen ihre heulenden, aufgeblaehten Geschwisterchen durch die Fresstempel der Stadt, um ein paar Muenzen zu erbetteln. Geht man weitere 50 Meter die Strasse entlang, stehen da ein Mann und eine Frau. Die Frau traegt Pfennigabsaetze, Handtasche und Minirock, ihr Gesicht ist weissgetuencht wie da einer Geisha, darunter zeichnen sich Falten ab. "I love you", ruft sie mir zu. Als ich sie ignoriere, laeuft mir der Mann ein Stueck hinterher. Er laechelt mich an und macht eigentlich einen freundlichen Eindruck. Er bietet mir die Frau fuer 500.000 Rupiah an, Massage und Sex fuer etwa 40 Euro. Ueberdurchschnittlich teuer, aber wahrscheinlich liegt es daran, dass er die anspruchslose Dame aus ihrem angestammten Revier in die Naehe der Bagpacker-Meile Jalan Jaksa geschleift hat, wo man Sex teurer verkaufen kann als in den verrufenen Rotlichtbezirken der Vorstaetdte, wohin sich kaum ein Auslaender verirrt.


Fans
 Ueberhaupt, Auslaender sind etwas Besonderes. Ich spuerte das am deutlichsten bei meinem Besuch des Nationaldenkmals im Herzen von Central-Jakarta. Die Monas, wie die Einheimischen es nennen, ist ein 132-Meter-hoher Phallusbau aus Italienischem Marmor, gekroent von einer Flamme aus massivem Gold.
An der Spizte befindet sich eine Aussichtsplattform, von der aus man - falls der Smog sich lichtet - grosse Teile der Stadt ueberblicken kann. Im Keller wird mit Hilfe von possierlichen kleinen Dioramen die Geschichte des Inselreiches propagandagerecht vorgekaut. Einheit seit der Urzeit wird da beschworen. Die Diversitaet der ueber 17.000 Inseln und 300 verschiedenen Ethnien, das viele Blut und die vielen inneren wie auesseren Konflikte, aus denen das moderne Indonesien hervorging, werden da grosszuegig ausgespart.
Man konzentriert sich auf die schwarzen Zahlen, also meistens heldenhafte Niederlagen gegen die hollaendische Besatzungsmacht.

Den groessten Teil der Besucher machen einheimische Touristen aus, als Auslaender geniesst man einen gewissen Seltenheitswert. Ich muss gestehen, dass ich noch nie einen derartigen Rummel um meine Person erlebt habe wie auf dieser engen Aussichtsplattform auf der Monas in Jakarta. Ich fuehlte mich ein bisschen wie ein Held oder zumindest wie Guttenberg zu seinen besten Zeiten.
Es beginnt ganz harmlos. Jemand ringt sich dazu durch und bittet um ein Foto. Man gewaehrt es ihm, die anderen verlieren ihre Scheu und tun es ihm gleich.
Bald werden einem Saeuglinge in die Hand gedrueckt, dann entstehen Gruppenbilder mit ganzen Sippschaften, alte Weiber mit bunten Kopftuechern draengeln sich in Scharen vor die Linse. Man soll mal sitzen, mal stehen, mal den Arm um die Schulter legen. Man ist geduldig, laechelt, laesst sich auch noch das zwanzigste Mal bitten. Ich fuehlte mich zunaechst ein bisschen geschmeichelt, obwohl es ja nur der Tatsache geschuldet war, dass ich kein bisschen indonesisch aussehe und die meisten von ihnen turmhoch ueberrage.
Da die lieben Leute aber mit ihren Fotowuenschen immer penetranter wurden, war ich aber doch heilfroh, als der kurze Ruhm wieder verflogen war und es im Aufzug abwaerts ging.


Die Kota
Ein wenig koloniales Flair atmet die Kota, das Altstadtviertel noerdlich des Zentrums. Ich fuehlte mcih ein bisschen an Galle erinnert, meine alte Wirkungsstaette in Sri Lanka. Weissgetuenchte Kolonialbauten, dazwischen schattige altehrwuerdige Baeume, Oldtimer aus den Dreissigerjahren, ein paar Strassenkuenstler und das versnobte Cafe Batavia. Im Gegensatz zum gruendlich sanierten Galle-Fort aber, wurde die Kota straeflich vernachlaessigt.



Die Muellbruecke
Die Bausubstanz ist in grossen Teilen verrottet, der von den Hollaendern angelegte Kali-Besar-Kanal ist zu einem duennen Faekalienrinnsaal verkommen, die einzig erhaltene historische Bruecke dient den Aermsten als Wohnung und
dem ganzen Viertel als Muelldeponie. Aber die Maengel sind ja bekannt und anscheinend ist man um Besserung bemueht. Bei meinem Gang durch die Kota liess ich ich mich zu einer Umfrage ueberreden. Jakarta soll attraktiver fuer Touristen werden und dafuer moechte man den Status-Quo sondieren. Das Urteil musste groesstenteils vernichtend ausfallen. Auf die Frage: what was your first impression of Jakarta?, antwortete ich wahrheitsgemaess: a very bad smell. Trotzdem gabs zur Belohnung einen Block mit der Aufschrift: Enjoy your visit in Jakarta.



Die Schatten
Und das habe ich tatsaechlich getan. Ich schreibe diese Zeilen aus einer McDonald`s-Filiale in Bogor, etwas ausserhalb von Jakarta, der einzige Platz in der Gegend, wo es noch Computer und nicht nur Wi-Fi gibt.
Wenn ich so zurueckblicke waren die vier Tage, die ich in Jakarta verbracht habe, die anstrengendsten, aber auch aufregendsten seit langem.
Weder ich, noch irgendwer, den ich kenne, wuerde sich in dieser Stadt langfristig wohlfuehlen oder koennte gar dort leben. Es ist zu laut, zu dreckig, zu voll, man ueberreizt innerhalb von Tagen und ist gluecklich, dem Moloch wieder entflohen zu sein.


Das Leben
Aber Jakarta hat auch seine sonnigen Seiten. Es pulsiert vor Leben und man kann kaum einen Schritt tun, ohne neue Eindruecke in sich aufzusaugen. Die Strassen sind Tag und Nacht bevoelkert von Menschen, die an Strassenkuechen essen, schwatzen, rauchen, Musik machen, betteln, Handel treiben oder schlicht herumflacken. Als Auslaender fuehlt man sich sicher, die Kriminalitaetsrate ist im Vergleich zu anderen Metropolen erfreulich niedrig, die Menschen sind hilfsbereit und offenherzig. Man pflegt einen moderaten Islam, die meisten Frauen tragen die Haare offen und die Roecke kurz und man darf sich auch mal in der groessten Moschee Suedostasiens in die Gebetsraueme verlaufen, ohne gleich gelyncht zu werden. Wenn die kommenden Wochen ebenso bereichernd werden wie die vergangenen vier Tage, werde ich zufrieden wieder heimkehren.