Langsam, aber stetig
scheint der Konflikt in meinem Verdauungstrakt abzuklingen. Von einem
Ende der Kampfhandlungen kann aber noch keine Rede sein, weshalb ich
mich entschließe, an diesem Morgen ein bisschen auszuschlafen und
meinem Körper etwas Ruhe zu gönnen, bevor wir in der folgenden
Nacht den Larke-La-Pass überqueren werden. Marvin steht zeitiger auf
und läuft schon mal mit Dipar voraus, um in Dharmasala ein
vernünftiges Lager zu organisieren. Am Ende werden wir aber doch im
Zelt nächtigen.
Morning view. |
Ich selbst bleibe bis ca.
9 Uhr im Bett, stehe dann gemütlich auf, nehme ein paar vorsichtige
Bissen zum Frühstück (trockenes Chapati) und laufe dann mit unserem
Guide Ishwuar los, der geduldig auf mich gewartet hat. Zu diesem
Zeitpunkt ist Samdo bereits komplett von Wanderern leer gefegt. Wir
scheinen die letzten zu sein, was den angenehmen Nebeneffekt hat,
dass wir die Strecke ganz für uns alleine genießen können.
Weg nach Dharmasala. |
Der Marsch nach
Dharmasala, vor dem mir in der vergangenen Nacht noch etwas gegraut
hat, wird zu einem schönen und erstaunlich mühelosen Erlebnis. Dank
des Niederschlages, der am gestrigen Nachmittag begonnen und bis weit
in die Nacht fortgedauert hat, ist die Luft an diesem Morgen sehr
rein und die Bergsicht von gestochener Schärfe. Die umliegenden
Massive erscheinen vom Schnee leicht eingezuckert. Wieder entsteht
der Eindruck, durch eine öde Mondlandschaft zu laufen: schwarz-graue
Geröllwüsten, schmutzige Gletscherausläufer und eine unwirtliche
Witterung, die nur die zähsten Lebensformen gedeihen lässt
(Murmeltiere etwa oder die unverwüstlichen Yaks).
Mondlandschaft. |
Nach etwa vierstündigem
Marsch erreichen wir dann den entlegenen Außenposten Dharmasala auf
4460 Metern, bestehend aus ein paar provisorisch wirkenden
Betonbaracken und einigen Zelten, in denen die Wanderer vor ihrem
Aufbruch zum Larke-La-Pass nächtigen können. Zu astronomischen
Preisen werden die üblichen Gerichte aufgetischt. Die 'Dusche'
besteht in einem Wasserhahn im Freien. Die beiden einzigen Toiletten
befinden sich in zugigen Wellblechverschlägen, die sich von außen
nicht richtig verschließen lassen. Am Nachmittag trifft man sich zum
Tee in der größeren Betonbaracke, wo alle zusammen an einer langen,
grob gezimmerten Tafel sitzen und sich über die kommende
Pass-Überquerung austauschen. Wie viel Wasser mitnehmen? Wie viele
Schichten Kleidung in der Nacht? Währenddessen zieht es draußen
komplett zu und die ersten Schneeflocken rieseln auf das Camp herab.
Im Laufe des Nachmittags werden es immer mehr und die Gegend wird von
einem wahren Schneetreiben heimgesucht. Bis zum Abend ist das gesamte
Camp von einer dichten weißen Schicht bedeckt. Mehrmals müssen wir
die Zelte vom Schnee befreien. Abends sitzen wir dick eingepackt wie
Michelin-Männchen in der Hauptbaracke. Im naiven Glauben, mein
Verdauungstrakt hätte sich nun endgültig befriedet, genehmige ich
mir ein üppiges Dal-Bhat-Set. Ein verhängnisvoller Fehler, wie
sich in der kommenden Nacht herausstellen wird.
The lonesome guide... |
Da die Überquerung
bereits morgens gegen 4 Uhr beginnen soll, gehen wir angemessen früh
schlafen. Aufstehen um 3 Uhr, Frühstück um 3.30 Uhr, so zumindest
der Plan. Um 19 Uhr liege ich in meinem Daunenschlafsack im Zelt und
schließe die Augen. Nächtliche Unterkühlung kann sehr unangenehm
und sogar gefährlich werden, daher treffen wir entsprechende
Vorkehrungen. An den Füßen trage ich zwei Paar Wollsocken , am
Oberkörper eine Lage Ski-Unterwäsche, ein T-Shirt, einen
Fleece-Pulli, die Daunenjacke und darüber noch eine Windjacke. An
den Füßen dann noch eine Unterhose, darüber eine lange
Ski-Unterhose, eine Wanderhose und eine Regenhose. Auf dem Kopf eine
Wollmütze und an den Händen Handschuhe. Die Kälte wird mich in
dieser Nacht jedenfalls nicht behelligen.
So macht Zelten richtig Spaß. |
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