Wer den protestantischen
Friedhof von Georgetown besucht, dem wird klar, dass das Leben in den
Kolonien kein Zuckerschlecken war. Etwa ein Drittel der hier
Bestatteten sind kaum 30 Jahre alt geworden. Malaria, Cholera,
Hepatitis und andere Infektionskrankheiten haben vielen Kolonisten
ein verfrühtes Ableben beschert. Selbst der Gründer der britischen
Kolonie auf der Insel Penang, Sir Francis Light, musste sich im Alter
von 54 Jahren dem Siechtum des Dschungelfiebers geschlagen geben.
Könnte er Penang heute erleben, wäre er mit Sicherheit erstaunt
über den Wandel, den Pennag durchgemacht hat. Als Light sie dem
Sultan von Kedah im Jahre 1796 abluchste und unter britische
Herrschaft stellte, war die Insel noch ein von dichtem Dschungel
bedecktes Niemandsland. Heute gilt Penang zu Recht als eines der
bedeutendsten wirtschaftlichen und kulturellen Zentren Westmalaysias.
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Der alte Friedhof von Georgetown. |
Ich selbst erreiche die
Insel in etwas derangiertem Zustand nach über zehnstündiger
Busfahrt. Von Aonang aus geht es über Krabi zunächst nach Süden in
die grenznahe Stadt Hatjai. Dort wechseln wir das Vehikel, erreichen
schließlich die malaysische Grenze und fahren nach Erledigung der
üblichen Formalitäten weiter zur Insel Penang, die nicht weit
entfernt von der Grenze und dicht an der Westküste der malaiischen
Halbinsel gelegen ist. Der spannendste Teil der Busfahrt besteht
sicherlich in der Überquerung der längsten Brücke Südostasiens,
die Penang mit dem Festland verbindet.
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Fort Cornwallis. |
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Next to Sir Light. |
Auf Penang kann man gut
und gerne eine ganze Woche verbringen ohne sich zu langweilen. Zu
sehen und zu tun gibt es wahrlich genug. Wer sich wie meine Wenigkeit
für Geschichte interessiert kann sich in Georgetown, dem urbanen
Zentrum Penangs, auf die Spuren der einstigen britischen Herrscher
begeben. Im historischen Stadtkern, der seit 2008 als
Unesco-Weltkulturerbe anerkannt ist, schlendert man gemütlich an den
weißgetünchten Kolonialbauten mit den mächtigen, Schatten
spendenden Bäumen entlang und lässt sich mental in die
Vergangenheit zurückversetzen. Im hübsch-restaurierten Fort
Cornvallis, das bis zur Invasion der Japaner im zweiten Weltkrieg,
keinerlei Feindseligkeiten gekannt hat, werden kostenlose Führungen
durch den Festungskomplex angeboten, bei denen sich auch einige
(tragik)-komische Details offenbaren. Beispielsweise befindet sich
dort eine mächtige, holländische Kanone aus dem 17. Jahrhundert, um
die sich zahlreiche Legenden ranken. So soll das Geschütz etwa
unfruchtbaren Frauen zu Nachwuchs verhelfen, wenn ihm ein Blumenopfer
dargebracht wird. Laut meiner Fremdenführerin hat das schon in
mindestens drei Fällen zum gewünschten Erfolg geführt.
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Ein Hauch von China. |
Besonders attraktiv wird
die Atmosphäre in Georgetown durch die vielfältigen kulturellen
Einflüsse, die diese Stadt geprägt haben. Chinesen, die zumeist im
Laufe des 19. Jahrhunderts als Arbeitsmigranten aus den von Hunger
geplagten Süd-Provinzen des großen Kaiserreiches auf die malaiische
Halbinsel kamen, haben im Laufe der Zeit eine ganz eigene
Parallel-Gesellschaft entwickelt und sich in rivalisierenden Clans
mit internen Machtstrukturen organisiert. Das Straßenbild ist
dementsprechend noch immer geprägt von prächtigen chinesischen
Geschäftshäusern, Tempeln der Götter- und Ahnenverehrung sowie
unzähligen chinesischen Restaurants, Bäckereien und anderen
Ladengeschäften. Lohnenswert ist auch ein Besuch der auf Stegen
errichteten chinesischen Ansiedlungen, die wie schwimmende Dörfer
von der Uferpromenade aus zugänglich sind.
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Little India. |
Neben den chinesischen
Einflüssen spielt auch die indische Kultur eine bedeutende Rolle im
Straßenbild von Georgetown, wo sich sogar ein eigenes indisches
Viertel befindet. Hier kann man sich nach Herzenslust an indischem
Essen erfreuen, stark duftende Läden für Gebetszubehör besuchen,
bunte Saris erwerben, sich von den übertrieben hochgedrehten
Lautsprecherboxen eines Bollywood-Filmshops beschallen lassen oder
sich am intensiven Geruch von indischen Gewürzen delektieren.
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Lädt zum Flanieren ein. |
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Streetart. |
Schließlich gibt es auch
noch den muslimisch-malaischen Einschlag, der hier an der Westküste
der Halbinsel jedoch nicht so stark zur Geltung kommt. Es gibt
einige, nach arabischem Stil errichtete Moscheen, man hört
gelegentlich den Muezzin rufen und einige Frauen tragen Kopftuch
(eine sehr geringe Minderheit mit Gesichtsschleier). Außerdem war
zur Zeit meines Besuches gerade der Fastenmonat Ramadan im Gange, so
dass sich das muslimische Leben ohnehin etwas weniger in der
Öffentlichkeit abspielte.
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Eine sättigende Portion. |
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Streetfood-Paradise. |
Dieses Gemisch an
Kulturen sorgt nicht nur für ein abwechslungsreiches Stadtbild,
sondern auch für ein sehr reichhaltiges kulinarisches Angebot. In
Georgetown kann man sich wahrlich bis an die Schmerzgrenze voll
futtern. Im Bezug auf Quantität, Qualität und Vielfalt von
Streetfood-Angeboten kann die Stadt locker mit Peking oder Bangkog
konkurrieren, ja ich würde sogar behaupten, dass Penang in dieser
Hinsicht Spitzenreiter unter allen Städten ist, die ich bisher
besucht habe. Hier ist einerseits die chinesische Küche sehr stark
vertreten mit einem breiten Angebot an Nudel-Kreationen (besonders
beliebt: Curry Mee, eine Nudelsuppe mit starker Gewürz-Note) und
Reis-Gerichten (insbesondere empfehlenswert: Penang-Chicken-Rice mit
dunkler Soße). Daneben gibt es noch zahlreiche indische Restaurants,
wo es kräftige Curries und frisch gebackenes Nan-Brot mit
verschiedenen, würzigen Soßen zu verkosten gibt. Von der
malaisch-muslimischen Küche standen auf Grund des Ramadans leider
kaum Kostproben zur Verfügung , obwohl ich durchaus neugierig darauf
gewesen wäre. Freunde des gepflegten Schmausens sollten außerdem
dem Wonderful-Food-Museum einen Besuch abstatten, wo sehr
detaillierte und teils grotesk überdimensionierte Nachbildungen von
malaiischen Spezialitäten ausgestellt werden. Hier lassen sich nicht
nur spaßige Fotos mit mutierten Mega-Shrimps schießen, sondern auch
interessante Fakten über Essen und Essgewohnheiten in Erfahrung
bringen. Beispielsweise, dass der teuerste Bürger der Welt
(verfeinert mit Goldraspeln, Fleisch vom japanischen Kobe-Rind und
schwarzen Trüffeln) über 1000 Dollar kostet und es gleichzeitig
noch Orte auf der Welt gibt, wo Menschen an Hunger sterben.
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Affenhorde auf dem Weg zum Penang-Hill. |
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Aussicht über Penang. |
Penang bietet nicht
nur eine spannende Atmosphäre, sondern auch einige sehenswerte
Attraktionen, die man mit den regelmäßig verkehrenden, städtischen
Bussen sehr bequem und günstig erreichen kann. Ein Ausflug zum
Penang-Hill etwa gehört zum Pflichtprogramm. Schon der Dichter
Herrmann Hesse hat sich auf seiner Asienreise Anfang des 20.
Jahrhunderts zur Besteigung dieser 830-Meter-hohen Erhebung
aufgemacht, wo die englischen Besatzer ihre mondänen Landsitze
errichtet haben. Heute tummeln sich auf dem Gipfel in erster Linie
Singapur-Chinesen, die sich per Seilbahn nach oben transportieren
lassen und sich im elektrischen Golfwagen herumkutschieren lassen.
Nach einem schweißtreibenden Aufstieg zu Fuß lässt sich die
Aussicht über Penang jedoch noch etwas mehr genießen. Außerdem
bietet sich die Chance, Makaken und Skorpione zu beobachten.
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Through the jungle. |
Nicht
verpassen sollte man weiterhin den Penang-Nationalpark, in dem man
auf deutlich markierten Wegen, Wanderungen durch den Dschungel
unternehmen und mehr über Flora und Fauna der Gegend erfahren kann.
Die Wege führen einen zu einladenden, weißen Stränden, wo aber
überall (wegen angeblich giftiger Quallen und gefährlicher
Unterströmungen) das Schwimmen untersagt ist. Mit ein bisschen Glück
trifft man sogar auf einen mächtigen, ausgewachsenen Waran und
stellt dann fest, dass man vergessen hat, eine Speicherkarte in die
Kamera zu stecken.
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Kek-Lok-Si. |
Wer seinem Aufenthalt noch eine
spirituelle Abrundung verpassen möchte, kann dem gewaltigen
Kek-Lok-Si-Tempel ein Stück außerhalb von Georgetown einen Besuch
abstatten. Der Tempel stellt eines der größten buddhistischen
Heiligtümer in Südostasien dar und wird ständig um weitere
Anbauten erweitert. Markantestes Merkmal ist sicherlich die
30-Meter-hohe, bronzene Statue von Kuan Yin, der Göttin der
Barmherzigkeit, die unter einem mächtigen, von Säulen gestützten
Pagoden-Dach steht und milde auf Penang herab lächelt. Ansonsten herrscht auch im Kek-Lok-Si-Tempel die für chinesische Heiligtümer so typische, legere Freizeit-Atmossphäre. Die Gänge und freien Nische sind mit Verkaufsständen ausgefüllt, die kitschige Buddha-Souveniers und Räucherstäbchen in allen Variationen feilbieten. Man trägt bevorzugt T-Shirts, kurze Hosen und Badelatschen, raucht ungezwungen Zigaretten oder gönnt sich ein Nickerchen. Aus Lautsprecherboxen tönt das beliebte Om-mani-padme-hum-Mantra.
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Wer ist hier der größere Affe? |
Penang's großartige Lage, der Wohlstand, die vielen Attraktionen und die lebenswerte Atmossphäre in Georgetown haben allerdings auch ihre Schattenseiten. Wohnraum und Immobilien sind zu beliebten Spekulationsobjekten geworden. Die Mieten in der Stadt steigen und Investoren werben großflächig mit Luxus-Wohnbunkern in Bestlage. Alteingesessene Mieter und Pächter werden anscheinend zunehmend aus dem Zentrum verdängt, wo sich wohlhabende Singapur-Chinesen schicke Boutiquen und Hotels einrichten. Da drängen sich natürlich gewisse Parallelen zu München oder Hamburg auf und man fragt sich, ob solch eine Entwicklung nicht langfristig den Charme von Georgetown erheblich schmälern wird.
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