Sonntag, 25. Juni 2017

Kapitel 31 - Penang (Malaysia): Sino-indo-anglo-malaiisches Flair

Wer den protestantischen Friedhof von Georgetown besucht, dem wird klar, dass das Leben in den Kolonien kein Zuckerschlecken war. Etwa ein Drittel der hier Bestatteten sind kaum 30 Jahre alt geworden. Malaria, Cholera, Hepatitis und andere Infektionskrankheiten haben vielen Kolonisten ein verfrühtes Ableben beschert. Selbst der Gründer der britischen Kolonie auf der Insel Penang, Sir Francis Light, musste sich im Alter von 54 Jahren dem Siechtum des Dschungelfiebers geschlagen geben. Könnte er Penang heute erleben, wäre er mit Sicherheit erstaunt über den Wandel, den Pennag durchgemacht hat. Als Light sie dem Sultan von Kedah im Jahre 1796 abluchste und unter britische Herrschaft stellte, war die Insel noch ein von dichtem Dschungel bedecktes Niemandsland. Heute gilt Penang zu Recht als eines der bedeutendsten wirtschaftlichen und kulturellen Zentren Westmalaysias.

Der alte Friedhof von Georgetown.
Ich selbst erreiche die Insel in etwas derangiertem Zustand nach über zehnstündiger Busfahrt. Von Aonang aus geht es über Krabi zunächst nach Süden in die grenznahe Stadt Hatjai. Dort wechseln wir das Vehikel, erreichen schließlich die malaysische Grenze und fahren nach Erledigung der üblichen Formalitäten weiter zur Insel Penang, die nicht weit entfernt von der Grenze und dicht an der Westküste der malaiischen Halbinsel gelegen ist. Der spannendste Teil der Busfahrt besteht sicherlich in der Überquerung der längsten Brücke Südostasiens, die Penang mit dem Festland verbindet.

Fort Cornwallis.

Next to Sir Light.
Auf Penang kann man gut und gerne eine ganze Woche verbringen ohne sich zu langweilen. Zu sehen und zu tun gibt es wahrlich genug. Wer sich wie meine Wenigkeit für Geschichte interessiert kann sich in Georgetown, dem urbanen Zentrum Penangs, auf die Spuren der einstigen britischen Herrscher begeben. Im historischen Stadtkern, der seit 2008 als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt ist, schlendert man gemütlich an den weißgetünchten Kolonialbauten mit den mächtigen, Schatten spendenden Bäumen entlang und lässt sich mental in die Vergangenheit zurückversetzen. Im hübsch-restaurierten Fort Cornvallis, das bis zur Invasion der Japaner im zweiten Weltkrieg, keinerlei Feindseligkeiten gekannt hat, werden kostenlose Führungen durch den Festungskomplex angeboten, bei denen sich auch einige (tragik)-komische Details offenbaren. Beispielsweise befindet sich dort eine mächtige, holländische Kanone aus dem 17. Jahrhundert, um die sich zahlreiche Legenden ranken. So soll das Geschütz etwa unfruchtbaren Frauen zu Nachwuchs verhelfen, wenn ihm ein Blumenopfer dargebracht wird. Laut meiner Fremdenführerin hat das schon in mindestens drei Fällen zum gewünschten Erfolg geführt.

Ein Hauch von China.
Besonders attraktiv wird die Atmosphäre in Georgetown durch die vielfältigen kulturellen Einflüsse, die diese Stadt geprägt haben. Chinesen, die zumeist im Laufe des 19. Jahrhunderts als Arbeitsmigranten aus den von Hunger geplagten Süd-Provinzen des großen Kaiserreiches auf die malaiische Halbinsel kamen, haben im Laufe der Zeit eine ganz eigene Parallel-Gesellschaft entwickelt und sich in rivalisierenden Clans mit internen Machtstrukturen organisiert. Das Straßenbild ist dementsprechend noch immer geprägt von prächtigen chinesischen Geschäftshäusern, Tempeln der Götter- und Ahnenverehrung sowie unzähligen chinesischen Restaurants, Bäckereien und anderen Ladengeschäften. Lohnenswert ist auch ein Besuch der auf Stegen errichteten chinesischen Ansiedlungen, die wie schwimmende Dörfer von der Uferpromenade aus zugänglich sind.

Little India.
Neben den chinesischen Einflüssen spielt auch die indische Kultur eine bedeutende Rolle im Straßenbild von Georgetown, wo sich sogar ein eigenes indisches Viertel befindet. Hier kann man sich nach Herzenslust an indischem Essen erfreuen, stark duftende Läden für Gebetszubehör besuchen, bunte Saris erwerben, sich von den übertrieben hochgedrehten Lautsprecherboxen eines Bollywood-Filmshops beschallen lassen oder sich am intensiven Geruch von indischen Gewürzen delektieren.

Lädt zum Flanieren ein.

Streetart.
Schließlich gibt es auch noch den muslimisch-malaischen Einschlag, der hier an der Westküste der Halbinsel jedoch nicht so stark zur Geltung kommt. Es gibt einige, nach arabischem Stil errichtete Moscheen, man hört gelegentlich den Muezzin rufen und einige Frauen tragen Kopftuch (eine sehr geringe Minderheit mit Gesichtsschleier). Außerdem war zur Zeit meines Besuches gerade der Fastenmonat Ramadan im Gange, so dass sich das muslimische Leben ohnehin etwas weniger in der Öffentlichkeit abspielte.

Eine sättigende Portion.
Streetfood-Paradise.
Dieses Gemisch an Kulturen sorgt nicht nur für ein abwechslungsreiches Stadtbild, sondern auch für ein sehr reichhaltiges kulinarisches Angebot. In Georgetown kann man sich wahrlich bis an die Schmerzgrenze voll futtern. Im Bezug auf Quantität, Qualität und Vielfalt von Streetfood-Angeboten kann die Stadt locker mit Peking oder Bangkog konkurrieren, ja ich würde sogar behaupten, dass Penang in dieser Hinsicht Spitzenreiter unter allen Städten ist, die ich bisher besucht habe. Hier ist einerseits die chinesische Küche sehr stark vertreten mit einem breiten Angebot an Nudel-Kreationen (besonders beliebt: Curry Mee, eine Nudelsuppe mit starker Gewürz-Note) und Reis-Gerichten (insbesondere empfehlenswert: Penang-Chicken-Rice mit dunkler Soße). Daneben gibt es noch zahlreiche indische Restaurants, wo es kräftige Curries und frisch gebackenes Nan-Brot mit verschiedenen, würzigen Soßen zu verkosten gibt. Von der malaisch-muslimischen Küche standen auf Grund des Ramadans leider kaum Kostproben zur Verfügung , obwohl ich durchaus neugierig darauf gewesen wäre. Freunde des gepflegten Schmausens sollten außerdem dem Wonderful-Food-Museum einen Besuch abstatten, wo sehr detaillierte und teils grotesk überdimensionierte Nachbildungen von malaiischen Spezialitäten ausgestellt werden. Hier lassen sich nicht nur spaßige Fotos mit mutierten Mega-Shrimps schießen, sondern auch interessante Fakten über Essen und Essgewohnheiten in Erfahrung bringen. Beispielsweise, dass der teuerste Bürger der Welt (verfeinert mit Goldraspeln, Fleisch vom japanischen Kobe-Rind und schwarzen Trüffeln) über 1000 Dollar kostet und es gleichzeitig noch Orte auf der Welt gibt, wo Menschen an Hunger sterben. 

Affenhorde auf dem Weg zum Penang-Hill.

Aussicht über Penang.

Penang bietet nicht nur eine spannende Atmosphäre, sondern auch einige sehenswerte Attraktionen, die man mit den regelmäßig verkehrenden, städtischen Bussen sehr bequem und günstig erreichen kann. Ein Ausflug zum Penang-Hill etwa gehört zum Pflichtprogramm. Schon der Dichter Herrmann Hesse hat sich auf seiner Asienreise Anfang des 20. Jahrhunderts zur Besteigung dieser 830-Meter-hohen Erhebung aufgemacht, wo die englischen Besatzer ihre mondänen Landsitze errichtet haben. Heute tummeln sich auf dem Gipfel in erster Linie Singapur-Chinesen, die sich per Seilbahn nach oben transportieren lassen und sich im elektrischen Golfwagen herumkutschieren lassen. Nach einem schweißtreibenden Aufstieg zu Fuß lässt sich die Aussicht über Penang jedoch noch etwas mehr genießen. Außerdem bietet sich die Chance, Makaken und Skorpione zu beobachten. 

Through the jungle.
Nicht verpassen sollte man weiterhin den Penang-Nationalpark, in dem man auf deutlich markierten Wegen, Wanderungen durch den Dschungel unternehmen und mehr über Flora und Fauna der Gegend erfahren kann. Die Wege führen einen zu einladenden, weißen Stränden, wo aber überall (wegen angeblich giftiger Quallen und gefährlicher Unterströmungen) das Schwimmen untersagt ist. Mit ein bisschen Glück trifft man sogar auf einen mächtigen, ausgewachsenen Waran und stellt dann fest, dass man vergessen hat, eine Speicherkarte in die Kamera zu stecken. 

Kek-Lok-Si.

Wer seinem Aufenthalt noch eine spirituelle Abrundung verpassen möchte, kann dem gewaltigen Kek-Lok-Si-Tempel ein Stück außerhalb von Georgetown einen Besuch abstatten. Der Tempel stellt eines der größten buddhistischen Heiligtümer in Südostasien dar und wird ständig um weitere Anbauten erweitert. Markantestes Merkmal ist sicherlich die 30-Meter-hohe, bronzene Statue von Kuan Yin, der Göttin der Barmherzigkeit, die unter einem mächtigen, von Säulen gestützten Pagoden-Dach steht und milde auf Penang herab lächelt. Ansonsten herrscht auch im Kek-Lok-Si-Tempel die für chinesische Heiligtümer so typische, legere Freizeit-Atmossphäre. Die Gänge und freien Nische sind mit Verkaufsständen ausgefüllt, die kitschige Buddha-Souveniers und Räucherstäbchen in allen Variationen feilbieten. Man trägt bevorzugt T-Shirts, kurze Hosen und Badelatschen, raucht ungezwungen Zigaretten oder gönnt sich ein Nickerchen. Aus Lautsprecherboxen tönt das beliebte Om-mani-padme-hum-Mantra.

Wer ist hier der größere Affe?
Penang's großartige Lage, der Wohlstand, die vielen Attraktionen und die lebenswerte Atmossphäre in Georgetown haben allerdings auch ihre Schattenseiten. Wohnraum und Immobilien sind zu beliebten Spekulationsobjekten geworden. Die Mieten in der Stadt steigen und Investoren werben großflächig mit Luxus-Wohnbunkern in Bestlage. Alteingesessene Mieter und Pächter werden anscheinend zunehmend aus dem Zentrum verdängt, wo sich wohlhabende Singapur-Chinesen schicke Boutiquen und Hotels einrichten. Da drängen sich natürlich gewisse Parallelen zu München oder Hamburg auf und man fragt sich, ob solch eine Entwicklung nicht langfristig den Charme von Georgetown erheblich schmälern wird.  

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