Ich
schätze es ist meiner kleinen Schwäche für Berge und Heiligtümer
sowie insbesondere Heiligtümern auf Bergen geschuldet, dass ich mich
zum Wutaishan-Gebirge aufmachte, einem der vier heiligen Berge des
Buddhismus in China. Allein die Anreise gestaltet sich schwierig, da
im März keine Saison ist und die touristische Infrastruktur noch im
Winterschlaf ruht. Direkte Busse von Datong nach Wutaishan also
Fehlanzeige. Erstmal per Bus nach Sahe und von dort aus irgendwie
weiterkommen zum heiligen Berg. Ob per Bus, Sammeltaxi oder
Eselsgespann, man wird schon sehen. Meine erste Busfahrt in China
werde ich jedenfalls als eindrückliches Erlebnis in Erinnerung behalten.
Auf der ersten Busfahrt. |
Zum
Einen habe ich bisher keine Busfahrt erlebt, bei der ich derart
heftig durchgeschüttelt wurde wie bei dieser. Die Strecke bestand
aus einer einzigen Schlaglochpiste. Des Weiteren hat mich erstaunt,
wie wenig Wert die Chinesen auf die Reinerhaltung von öffentlichen
Bussen zu legen scheinen. Als wir nach drei Stunden Fahrt in Sahe
ankommen, gleicht das Fahrzeug einem Schlachtfeld. Zigarettenkippen und
jegliche Art von Müll waren einfach auf dem Boden gelandet. Doch
niemand schien sich daran zu stören, nicht einmal der Busfahrer. Der
schönste Aspekt an der Fahrt war jedoch die Begegnung mit ein paar
chinesischen Schulkindern, von denen zwei so mutig waren, ihre
Englischkenntnisse an mir zu erproben. Die Konversation hatte zwar
wenig Inhalt, dafür aber umso mehr Charme.
Auf dem Weg zum heiligen Berg. |
In Sahe schien
dann erstmal Ende zu sein. Der Busbahnhof erschien verlassen. Eine
Handvoll Einheimischer stand um mich herum und musterte mich wie
einen Außerirdischen. Kommunikationsversuche schlugen reihenweise
fehl. Doch wieder einmal hatte ich Glück. Eines der Schulkinder aus
dem Bus, ein aufgewecktes kleines Mädchen, legte sich mächtig dafür
ins Zeug, mir eine Mitfahrgelegenheit nach Wutai Shan zu besorgen.
Und tatsächlich zeigte sich einer der Anwesenden bereit, mich zum
heiligen Gebirge mitzunehmen. Nennt man das das Glück des
Taugenichts?
Tempellandschaft. |
Das
kleine Städtchen Taihuai liegt eingebettet in ein Tal zwischen den
fünf höchsten Erhebungen des Wutaishan-Gebirges. Man lebt
hauptsächlich von den Tempeln und vom Tourismus. Die winterlichen
Temperaturen im März halten die großen Schwärme noch auf Distanz.
Ich scheine der einzige Ausländer weit und breit zu sein, werde mit
Interesse begutachtet und darf gelegentlich für ein Foto posieren.
Das spirituelle Erwachen ist indes ausgeblieben, obwohl ich bestimmt
noch nie so viele eindrucksvolle Tempel und Heiligtümer innerhalb
von drei Tagen besucht habe wie während meines Aufenthalts in
Wutaishan.
Tempelrunmmel. |
Da lassen sich Buddhas, Boddhisatvas und andere himmlische
Kreaturen mit Räucherwerk, Verbeugungen, Geld und Keksen für ihren
Segen bestechen. Dass der Smog auch nicht vor dem heiligen Gebirge
halt macht, dürfte unter anderem an den Unmengen von Räucherstäben
liegen, die hier täglich angezündet und in riesigen Öfen vor den
Tempeln verheizt werden. Drum herum wird alles feilgeboten, was das
Pilgerherz begehrt. Von Solar-getriebenen Gebetsmühlen bis hin zum
Miniatur-Buddha. Ob sich hinter den vielen standardisierten Ritualen
echte Überzeugung verbirgt, ist von außen schwer zu beurteilen. Bei
manchen wirkt die Anbetung äußerst mechanisch und mehr wie eine
lästige Pflicht als eine bewusste Handlung. Andere rutschen auf
Knien und in tiefes Gebet versunken die unzähligen Stufen zu einem
Bergtempel hinauf, wo kahlrasierte Mönche und noch mehr
Souvenierhändler sie erwarten.
Tempelhunde. |
Man kann sich fragen, was wohl der
alte Siddharta Gautama zu dem ganzen Rummel sagen würde. Sitzt er
etwa gerade mit seinem Hofstaat in den Himmeln auf einer Wolke,
schlürft einen Mai Thai nach dem anderen, inhaliert den göttlichen
Feinstaub, der pausenlos zu ihm aufsteigt, und fühlt sich großartig
und wohlwollend, weil so viele Menschen seinen Standbildern huldigen?
In mein Bild von dieser Person will das nicht so recht passen. Für
mich bedeutet ein Kerngedanke der buddhistischen Lehre, dass man sich
dem Zustand der 'Befreiung' (was auch immer man darunter verstehen
mag) nur durch eigenes Bemühen und eigenes Tun annähern kann.
Rituale können dabei unterstützend wirken, aber keinesfalls können
sie den Prozess der inneren Transformation ersetzen. Leider sieht es
so aus, als hätte sich der Buddhismus so wie er vielerorts in Asien
praktiziert wird, sehr weit von seinen Wurzeln entfernt.
Auf dem Grabhügel. |
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