Sonntag, 9. April 2017

Kapitel 3 - Wutai Shan(Shanxi): Die Räucher-Berge

Ich schätze es ist meiner kleinen Schwäche für Berge und Heiligtümer sowie insbesondere Heiligtümern auf Bergen geschuldet, dass ich mich zum Wutaishan-Gebirge aufmachte, einem der vier heiligen Berge des Buddhismus in China. Allein die Anreise gestaltet sich schwierig, da im März keine Saison ist und die touristische Infrastruktur noch im Winterschlaf ruht. Direkte Busse von Datong nach Wutaishan also Fehlanzeige. Erstmal per Bus nach Sahe und von dort aus irgendwie weiterkommen zum heiligen Berg. Ob per Bus, Sammeltaxi oder Eselsgespann, man wird schon sehen. Meine erste Busfahrt in China werde ich jedenfalls als eindrückliches Erlebnis in Erinnerung behalten.

Auf der ersten Busfahrt.
Zum Einen habe ich bisher keine Busfahrt erlebt, bei der ich derart heftig durchgeschüttelt wurde wie bei dieser. Die Strecke bestand aus einer einzigen Schlaglochpiste. Des Weiteren hat mich erstaunt, wie wenig Wert die Chinesen auf die Reinerhaltung von öffentlichen Bussen zu legen scheinen. Als wir nach drei Stunden Fahrt in Sahe ankommen, gleicht das Fahrzeug einem Schlachtfeld. Zigarettenkippen und jegliche Art von Müll waren einfach auf dem Boden gelandet. Doch niemand schien sich daran zu stören, nicht einmal der Busfahrer. Der schönste Aspekt an der Fahrt war jedoch die Begegnung mit ein paar chinesischen Schulkindern, von denen zwei so mutig waren, ihre Englischkenntnisse an mir zu erproben. Die Konversation hatte zwar wenig Inhalt, dafür aber umso mehr Charme.

Auf dem Weg zum heiligen Berg.
In Sahe schien dann erstmal Ende zu sein. Der Busbahnhof erschien verlassen. Eine Handvoll Einheimischer stand um mich herum und musterte mich wie einen Außerirdischen. Kommunikationsversuche schlugen reihenweise fehl. Doch wieder einmal hatte ich Glück. Eines der Schulkinder aus dem Bus, ein aufgewecktes kleines Mädchen, legte sich mächtig dafür ins Zeug, mir eine Mitfahrgelegenheit nach Wutai Shan zu besorgen. Und tatsächlich zeigte sich einer der Anwesenden bereit, mich zum heiligen Gebirge mitzunehmen. Nennt man das das Glück des Taugenichts?

Tempellandschaft.
Das kleine Städtchen Taihuai liegt eingebettet in ein Tal zwischen den fünf höchsten Erhebungen des Wutaishan-Gebirges. Man lebt hauptsächlich von den Tempeln und vom Tourismus. Die winterlichen Temperaturen im März halten die großen Schwärme noch auf Distanz. Ich scheine der einzige Ausländer weit und breit zu sein, werde mit Interesse begutachtet und darf gelegentlich für ein Foto posieren. Das spirituelle Erwachen ist indes ausgeblieben, obwohl ich bestimmt noch nie so viele eindrucksvolle Tempel und Heiligtümer innerhalb von drei Tagen besucht habe wie während meines Aufenthalts in Wutaishan.

Tempelrunmmel.
Da lassen sich Buddhas, Boddhisatvas und andere himmlische Kreaturen mit Räucherwerk, Verbeugungen, Geld und Keksen für ihren Segen bestechen. Dass der Smog auch nicht vor dem heiligen Gebirge halt macht, dürfte unter anderem an den Unmengen von Räucherstäben liegen, die hier täglich angezündet und in riesigen Öfen vor den Tempeln verheizt werden. Drum herum wird alles feilgeboten, was das Pilgerherz begehrt. Von Solar-getriebenen Gebetsmühlen bis hin zum Miniatur-Buddha. Ob sich hinter den vielen standardisierten Ritualen echte Überzeugung verbirgt, ist von außen schwer zu beurteilen. Bei manchen wirkt die Anbetung äußerst mechanisch und mehr wie eine lästige Pflicht als eine bewusste Handlung. Andere rutschen auf Knien und in tiefes Gebet versunken die unzähligen Stufen zu einem Bergtempel hinauf, wo kahlrasierte Mönche und noch mehr Souvenierhändler sie erwarten.

Tempelhunde.
Man kann sich fragen, was wohl der alte Siddharta Gautama zu dem ganzen Rummel sagen würde. Sitzt er etwa gerade mit seinem Hofstaat in den Himmeln auf einer Wolke, schlürft einen Mai Thai nach dem anderen, inhaliert den göttlichen Feinstaub, der pausenlos zu ihm aufsteigt, und fühlt sich großartig und wohlwollend, weil so viele Menschen seinen Standbildern huldigen? In mein Bild von dieser Person will das nicht so recht passen. Für mich bedeutet ein Kerngedanke der buddhistischen Lehre, dass man sich dem Zustand der 'Befreiung' (was auch immer man darunter verstehen mag) nur durch eigenes Bemühen und eigenes Tun annähern kann. Rituale können dabei unterstützend wirken, aber keinesfalls können sie den Prozess der inneren Transformation ersetzen. Leider sieht es so aus, als hätte sich der Buddhismus so wie er vielerorts in Asien praktiziert wird, sehr weit von seinen Wurzeln entfernt.

Auf dem Grabhügel.


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