Sonntag, 9. April 2017

Kapitel 1a: Und jedem Anfang wohnt ein Jetlag inne...

Die erste Station meiner China-Reise ist die Hauptstadt Peking, wobei der Schock des ersten Ankommens eher sanft ausfällt. Zweisprachige Schilder und Durchsagen sowie überdurchnschnittlich viele Englischsprecher und -versteher machen den Einstieg leicht. Selbst für langnasige Taugenichtse, die nach über zwanzigstündiger Reise und schlafloser Nacht in der Holzklasse frisch am Flughafen ankommen. Dank des gut ausgebauten Zug- und U-Bahnnetzes, das den Flughafen mit der Innenstadt verbindet, wird es dann auch kein allzu nervenzehrender Endspurt bis zur Unterkunft. Über Peking könnte man endlos berichten. Denn Peking ist weniger eine Stadt als vielmehr eine ganze Provinz, in deren Verwaltungsbezirk über 21 Millionen Menschen leben und die flächenmäßig größer ist als Schleswig-Holtstein (Quelle: Wikipedia).

Vor dem Tor des Himmlischen Friedens.

Wer die chinesische Hauptstadt besucht, kommt natürlich nicht an den großen historischen Sehenswürdigkeiten aus der Kaiserzeit vorbei. Zwei der bekanntesten sind die verbotene Stadt mitten im Herzen Pekings und der Sommerpalast etwas außerhalb im Nordwesten. Beide Anlagen nehmen einen ungeheuren Raum ein und beeindrucken durch eine ebenso wuchtige wie würdevolle Architektur. Gerade der Sommerpalast mit seinen weitläufigen Gärten, künstlich angelegten Kanälen und der Lage rund um den idyllischen Kunming-See lässt erahnen, welchen gesellschaftlichen Rang die Ming- und Quing-Kaiser einst inne gehabt haben müssen. 
Der Sommerpalast am Kunming-See.

Wer heute den Sommerpalast oder die verbotene Stadt besucht, kann sich kaum vorstellen, dass diese Orte einmal nur dem Kaiser und seiner Familie vorbehalten waren. Ihre ganze Pracht und Schönheit diente in erster Linie zum Vergnügen eines einzelnen Mannes, während vermutlich Millionen von Leibeigenen bei den beschwerlichen Bauarbeiten verschlissen wurden. So konnte also der Kaiser mit seiner Kaiserin und dem Heer an Konkubinen im Sommer eine gemütliche Bootsfahrt auf dem Kunming-See unternehmen, ohne dass Menschentrauben am Ufer die Aussicht gestört hätten. 

Die Halle der höchsten Harmonie.
Heute stehen die Sehenswürdigkeiten allen 1,2 Milliarden Chinesen zum Besuch offen – und allen anderen, die Devisen und ein gültiges Visum vorweisen können. Man teilt sich die Besuchserfahrung meist zwangsläufig mit sehr vielen weiteren Menschen, was nicht wenigen Individualreisenden mächtig gegen den Strich geht. Viele von ihnen stören sich an den Legionen von Selfiestick-bewehrten Tourgruppen, die die schönen Aussichten belagern und die Welt nur durch ihre Smartphone-Kameras wahrzunehmen scheinen.

Der Himmelstempelpark.
Dies gilt natürlich insbesondere für das chinesische Tourismus-Highlight schlechthin: die chinesische Mauer. Analog zu den kitschigen Schlössern in Bayern kann man auch bei der chinesischen Mauer feststellen, dass dieses Bauprojekt aus zeitgenössischer Sicht eher ein Epic Fail war. Weder die mongolischen noch die mandschurischen Invasoren zeigten sich sonderlich beeindruckt von dem Grenzwall, der ihnen den Weg versperren sollte. Heutzutage spült das Gemäuer zuverlässig Mengen an Touristen und Devisen ins Land. Dementsprechend kuschelig geht es auf der Mauer vielerorts zu. 

Die Offline-Mauer.
Ich persönlich habe (weitestgehend) meinen Frieden mit den Massen gemacht. Es gibt immer Mittel und Wege, den größten Andrang zu umgehen. Außerdem halte ich es für eine schöne Errungenschaft, dass in der heutigen Zeit jeder das Recht hat, diese wunderbaren Orte zu besuchen. Letztendlich sollte man sich als China-Reisender besser schnell an unüberschaubare Menschenmassen gewöhnen und lernen selbst im größten Gedränge die Ruhe zu bewahren, sonst wird das Reisen per Bus und Bahn zur nervlichen Zerreißprobe. Wer zum allerersten Mal, ohne Chinesisch-Kenntnisse und während der Rush-Hour am Pekinger-Hauptbahnhof einchecken wollte, weiß wovon ich rede. 

Straßenszenen.
Die Erwähnung des Hauptbahnhofs markiert nun auch auf wenig originelle Weise den Schlußpunkt meiner Zeit in Peking, für die ich außerordentlich dankbar bin. Es waren intensive und anstrengende sechs Tag begleitet von strahlendem Sonnenschein, in denen ich viele wertvolle Eindrücke sammeln konnte. Ich hätte auch nochmal sechs Tage bleiben können und mir wäre bestimmt nicht langweilig geworden. Dafür ist die Atmossphäre in der Stadt einfach zu stimulierend.Gerade wer bei Dunkelheit die grell erleuchteten  Marktstraßen entlangläuft erfährt eine schier rauschhafte Überflutung der Sinne. An jeder Straßenecke warten neue Absurditäten auf Entdeckung. Für einen Besuch würde ich wärmstens die Zeit der nächsten planmäßigen Tagung des Volkskongresses in 5 Jahren vorschlagen. Für dieses repräsentative Event werden nämlich rund um Peking die größten Dreckschleudern eingeschläfert, damit der Himmel in sozialistischem Blau erstrahlen kann.

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