Sonntag, 9. April 2017

Kapitel 6 - Guilin/Yangshuo(Guangxi): Ein Hauch von Apokalypse

Nur zwei Flugstunden trennen mich von einem anderen China. Der Norden ließ sich noch als kalt, trocken und braun charakterisieren. Hier im Süden, in Guangxi, herrschen fast gegenteilige Zustände. Das Klima ist deutlich milder und wärmer. Die Regenzeit im Frühjahr bringt nahezu täglich Schauer mit sich und die Landschaft ist geprägt von einem kräftigen, atmenden Grün. Ein Grün, das selbst jenen typischen Anblick einer chinesischen Großstadt deutlich aufwerten kann, der bei westlichen Betrachtern oft Grausen verursacht. So auch bei Guilin, was sich im Hinblick auf Architektur und Verkehrsaufkommen wenig von anderen Städten unterscheidet. 

Blick auf Guilin.
Allerdings hat Guilin das Glück, in eine Landschaft aus beeindruckenden Karstfels-Formationen eingebettet zu sein und von einem System aus Flüssen und Kanälen durchzogen zu werden. Die Hauptstraßen sind von Baumreihen flankiert und an den Flussufern sprießt der Bambus in die Höhe. Shoppen gehen kann man natürlich auch hier nach Herzenslust. Die charakteristische Karstlandschaft ist eines der bekanntesten Motive in der chinesischen Landschaftsmalerei und obendrein ein fruchtbares Tee-Anbaugebiet. Dementsprechend oft wird man von eifrigen Schleppern zur Tee-Verkostung oder Kunst-Ausstellung gebeten. Ich habe mich da lieber auf die Suche nach exotischeren Spezialitäten begeben. Dazu mehr im Sonderbeitrag über das Essen in China. 

Am Fluss.

Auf der Brücke.
Zum Eintauchen in die malerische Atmossphäre der Gegend, ist Guilin nur ein erstes Appetit-Häppchen. Die kleinere Stadt Yangshuo, die ein Stück weiter den Li-Fluss abwärts gelegen ist, bietet noch bessere Möglichkeiten das Umland zu erkunden. Dorthin gelangt man am besten per Bambus-Floss. Während der Floss-Fahrt fühle ich mich spontan an den Film 'Apokalypse Now' erinnert. Das Boot tuckert gemächlich über den grünlichen Fluss. Zu beiden Seiten erheben sich mächtige, Nebel verhangene Felskegel, die über und über mit Vegetation bedeckt sind. Dichter Bambus und Palmen säumen die Ufer. Leichter Nieselregen spritzt mir ins Gesicht, während mein chinesischer Sitznachbar Selfies schießt.

Flossfahrt.
Von Yangshuo aus unternehme ich einige Exkursionen ins Umland und lerne dabei das 'idyllische' Leben in der chinesischen Provinz kennen. Zu Fuß und per (viel zu kleinem Fahrrad) bewege ich mich an den Flussufern entlang, erklimme ein paar Hügel und genieße die Üppigkeit der Landschaft, die beinahe tropischen Charakter aufweist. Es geht durch verschlafene Dörfer und überschwemmte Felder, über verschlammte Schlaglochpisten und vorbei an imposanten Felsformationen.

Am Aussichtspunkt.
 
Üppiges Grün.
Das Landleben in dieser Gegend mag auf den ersten Blick noch sehr ursprünglich wirken. Schwere Maschinen sieht man selten, eigene Muskelkraft und träge Wasserbüffel scheinen einen großen Teil der Arbeit zu besorgen. Doch die Moderne ist auch hier nicht spurlos vorübergegangen. Dafür sehen die jungen Pflänzchen doch ein bisschen zu maßgeschneidert und ergonomisch aus. Gelegentlich kann man Dorfbewohner mit blauen Tanks auf dem Rücken beim vergnüglichen Unkrautspritzen beobachten und den würzigen Duft nach Pestizid in der Luft schmecken. Auch auf die Reinheit des Flusswassers würde ich nicht unbedingt meine zweite Niere verwetten und der überall herumliegende Plastikmüll ist sowieso ein alter Hut. 

Ein bisschen Blau im Hintergrund.
Viele Dorfbewohner leben in wenig ansehnlichen Funktionsblöcken, die sich teilweise noch im Rohbau befinden und inmitten all der Naturschönheit wie Fremdkörper erscheinen. Doch genug gemault. Ich habe meine Zeit in Guilin und Yangshuo sehr genossen. Nur würde ich mir wünschen, dass man es mit der Bebauung und Erschließung nicht übertreibt, damit auch viele nach mir noch in diesen Genuss kommen können.

Aggressives Federvieh.



Dorfleben.

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