Freitag, 5. Mai 2017

Kapitel 11 - Sotikhola (530) - Machha Khola (930)

Nach dem langen Transport vom Vortag erwachen wir voller Motivation für unseren ersten Wandertag. Es beginnt sanft von Sotikhola aus mit einem sechsstündigen Marsch entlang des Budhigandaki-Flusses. Es sind mehrere Hängebrücken aus Stahlseilen zu passieren, die über schwindelerregende Abgründe gespannt sind. Direkt hinter Sotikhola erwartet uns die erste, die jedoch nur über einen winzigen Seitenarm des Flusses führt. Mit dem Passieren müssen wir indes Geduld haben. Eine für diese Region so typische Maultier-Karawane kommt von der anderen Seite herüber und wir müssen zur Seite treten. Hinter Sotikhola fahren keine motorisierten Fahrzeuge mehr. Es gibt nur noch unwegsame Bergpfade und in den Stein gehauene Stufen. Maultiere sind das Transportmittel erster Wahl für Güter. Wir lassen die stoischen Tiere vorbeiziehen, die brav in Reih und Glied hintereinander traben und ihre schwere Lasten schleppen. Tanks mit Kerosin zum Kochen, Baumaterialien, Cola-Paletten und Reissäcke.

Eselsbrücke.
Was die Tiere nicht schleppen, tragen die Menschen auf dem Rücken. Es ist bemerkenswert und zugleich befremdlich, wie viel Gewicht auf einen menschlichen Rücken passt. Die Träger, die das Gepäck von ausländischen Trekking-Touristen tragen, erinnern zuweilen an Ameisen, die ein Vielfaches ihres eigenen Körpergewichts transportieren können. Auf ihren Schultern lastet zumeist ein verschnürtes Paket, das aus zwei großen Trekking-Rucksäcken und einer kleinen Tasche mit den persönlichen Habseligkeiten des Trägers besteht. Im Vergleich zu den Touristen tragen die Einheimischen in der Regel keine Funktionskleidung und nicht wenige laufen in Flipflops oder Badelatschen. Dennoch sind sie uns an Geschwindigkeit zumeist überlegen. Auch ihre Tragetechnik unterscheidet sich von der unseren. Die Lastenpakete sind mit Gurten, die um die Stirn verlaufen, auf ihre Rücken geschnallt. Ihre kleine, drahtige Statur scheint dieses Verfahren zu unterstützen. Auch ist es im Laufe der Jahrhunderte wohl zur Notwendigkeit geworden, slolche Techniken zu perfektionieren, um die Versorgung entlegener Dörfer zu sichern. Selbst alte Frauen schleppen 16,5-Kilogramm-schwere Kerosin-Tanks die Hänge hinauf.    

Landschaftsimpressionen.
Mein Freund der Baum.
Die Route an diesem Tag nimmt mit einem steilen Aufstieg an Fahrt auf, der uns hinter der zweiten Hängebrücke erwartet, auf der wir den Budhigandaki überqueren. Der Tag ist heiß und trocken. Bald beginnt der Schweiß aus allen Poren zu rinnen. Doch die Anmut der Landschaft und die vielen spannenden Eindrücke am Wegesrand entschädigen für die Mühen. Wir passieren frisch bepflanzte Felder, die in Terrassen am Hang errichtet wurden, kleine Weiler und Wellblechhütten, in denen die Menschen unter einfachsten Bedingungen zu leben scheinen. Alles wirkt wie aus einer längst vergangenen Zeit. Hühner, Ziegen und Rinder tummeln sich rund um die Ansiedelungen. Die Einwohner sind hauptsächlich Hindus oder Buddhisten und tragen die Gesichtszüge der indo-arischen Ethnie. Bananenstauden, Bambus und große, knorrige Bäume machen die üppig-grüne Vegetation aus. Dem Frühling sei Dank sieht man es überall in frischen Farben blühen. Den Weg, den wir hinauf gegangen sind, müssen wir auch wieder hinunter kommen, was nicht weniger schweißtreibend ausfällt. 

Dorfleben.
Nach einer weiteren Flußüberquerung wird der Weg relativ eben. 'Eben' (oder auch 'Nepali flat' genannt) bedeutet, dass es keine generelle Tendenz nach oben oder unten gibt, sondern es sinuskurvenartig auf und ab geht. Schließlich geht es doch noch einmal nach unten zum Fluss hinab, der an dieser Stelle eher ein schmales Rinnsaal darstellt. Zu beiden Seiten des Flusses verläuft ein begehbares Kiesbett, das wir entlang des Flusslaufes durchqueren. Bald sind wir gezwungen, unsere Schuhe auszuiehen und durch das Wasser zu waten. Eine nette kleine Abwechslung. Die Spuren der Zivilisation sind auch hier draußen noch zu finden. Cola und Redbull wird bis in die entlegenen Ansiedelungen transportiert. Der Müll bleibt jedoch dort oder irgendwo auf der Strecke, denn keiner scheint ihn einzusammeln und ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein scheint in der Gegend nicht vorhanden zu sein. An den Hängen sieht man desöfteren Feuer brennen. Nach Aussage unseres Guides legen die Einheimischen diese Feuer selbst, um neues Grasland zu erschließen, indem sie altes Gestrüpp abfackeln. Manche Feuer entstehen aber auch ganz klassisch, weil Kinder mit Streichhölzern spielen. Meine erste Theorie, dass die Feuer aufgrund der vorherrschenden Trockenheit entstehen, wird somit widerlegt.


Respekt vor der Obrigkeit.
Die wahren Helden der Berge.
Insgesamt habe ich diesen ersten Tag als erfüllend und anstrengend erlebt. Viele spannende Impressionen von Land und Leuten ließen keine Langeweile aufkommen. Auf unserer Strecke sind mehr Trekker unterwegs als gedacht. Die abendliche Unterkunft ist rappelvoll. Die Manaslu-Umrundung scheint sich zunehmender Beliebtheit (insbesondere unter deutschen Trekkern) zu erfreuen. Gegessen wird abends natürlich ein traditionelles Dal-Bhat-Set mit Reis, Curry und Linsensuppe, das die Einheimischen hier zweimal (!) täglich zu sich nehmen. Besonders ergiebig ist diese Speise auch, weil nahezu unendlich oft Nachschlag bekommen kann, so dass der Magen garantiert voll wird. Ansonsten ist das kulinarische Angebot recht eingeschränkt und besteht in erster Linie aus Kohlenhydraten- und Proteinlieferanten, also Reis, Kartoffeln und verschiedene Sorten von Nudeln. Auch Pasta und Pizza sind verfügbar, allerdings nicht unbedingt in der klassischen Variante, die man aus der Heimat kennt. 

Down by the river.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen