Freitag, 5. Mai 2017

Kapitel 9: Nepal - Kathmandu

Lärm, Staub, herbab hängender Kabelsalat, marode Straßen ohne Bürgersteig, Verkehrschaos, streunende Hunde, verstreuter Plastikmüll, kleine Verkaufsbuden, Frauen in bunten Saris und beizender Smog. Das sind meine ersten Impressionen von Kathmandu, die ich auf der Taxi-Fahrt vom winzigen Flughafen der Hauptstadt zum Hotel erhalte. Einige dieser Phänomene sind mir auch in chinesischen Städten schon begegnet, jedoch in ganz anderen Ausprägungen. Die Kontraste überwiegen deutlich. Nepal ist das, was man gemeinhin als ein Entwicklungsland bezeichnen würde.

Straßenszenen.
Ich kann nicht behaupten, dass ich Kathmandu sehr intentsiv erkundet habe. Wie den meisten anderen Trekking-Touristen dient es auch mir in erster Linie als Sprungbrett zum Himalaya. Hier im Hotel treffe ich meinen Trekking-Kollegen Marvin zum ersten Mal. Zusammen mit unserem künftigen Guide Ishuar und Himal, dem Manager unserer Trekking-Agentur, besprechen wir alle Details und nötigen Vorbereitungen für unsere über dreiwöchige Tour durch das Tsum-Valley und das Gebiet rund um das Manaslu-Massiv. Wir brauchen Ausrüstung, Permits, Proviant und viel Bargeld, um den kommenden Marsch sicher und erfolgreich zu meistern.

Thamel.
Unsere Tage in Kathmandu sind dementsprechend geprägt von organisatorischem Geplänkel. Kreuz und quer huschen wir durch das geschäftige Backpacker-Viertel Thamel. Hier reihen sich Trekking-Ausstatter mit garantiert authentischer Markenware, Souvenier-Läden, Restaurants, schrottige Geldautomaten, Spas und Trekking-Agenturen aneinander. Man kann sich kaum fünf Meter bewegen ohne angesprochen zu werden und Angebote über Kunstgegenstände, Touren oder Haschisch zu erhalten. Auf den staubigen und heillos verstopften Straßen begegnet einem ein buntes Gemisch an Weißbroten. Trekker in einschlägiger Kluft, tätowierte Backpacker und gepiercte Hippies in Öko-Klamotten treiben sich herum. Nach langem Suchen und Feilschen hat man schließlich alles zusammen, was man braucht (einschließlich dem diebischen Glücksgefühl, das ein oder andere Schnäppchen gemacht zu haben): Daunenjacke, Daunenschlafsack für bis zu 20° Grad minus, Stöcke, Handschuhe und zusätzliches Kleinvieh. Das Geldabheben wird indes zum Geduldsspiel. Da es auf der Tour keinerlei Banken oder Geldautomaten gibt, müssen wir genug Cash für alle Ausgaben mit uns herum tragen. Ob die Automaten funktionieren, ist indes meistens Zufall. Auch werden Karten gerne gesperrt, wenn man versucht mehrfach hintereinander größere Geldbeträge abzuheben. Nepal ist nämlich auch berüchtigt für grassierenden Kreditkarten-Betrug.    

Ohne Vermummung brennt es in Lunge und Augen.
Zum Glück bleibt neben dem nervenzehrenden Shoppen und Organisieren auch noch ein bisschen Zeit für Kultur. So erkunden wir etwa den Durbar-Square, einen Platz mit vielen Tempeln und anderen historischen Gebäuden, wo auch der alte Königspalast zu finden ist. Leider gleicht das Gelände einer Ruinen-Landschaft. Das Erdbeben des Jahres 2015 hat hier schwere Schäden angerichtet, die bisher nur notdürftig behoben wurden. Skurriler Höhepunkt unseres Ausflugs zum Durbar-Square ist der Besuch bei der 'lebenden Göttin'. Diese 'lebende Göttin' ist ein kleines Mädchen, das bis zu ihrer ersten Menstruation im Obergeschoss eines Tempels am Durbar Square lebt. Sie gilt als heilige Reinkarnation der Göttin Durga und wird als Kleinkind nach speziellen Kriterien ausgewählt, beispielsweise nach Kaste und Aussehen. Zusätzlich muss sie noch einen bizarren Test bestehen, wie uns unser Fremdenführer erklärt. Sie wird für etwa drei Tage in einer dunklen Kammer in einem Tempel eingesperrt, wo man sie mit Blut und Eingeweiden von Opfertieren sowie mit verstörenden Bildern und Masken erschreckt. Zeigt sie dabei weder Furcht noch Tränen, hat sie den Test bestanden und darf zur Belohnung ihre Kindheit weggeschlossen im Tempel verbringen und sich einmal pro Tag den Massen zeigen. 

Durbar-Square.
Nach drei reizintensiven und anstrengenden Tagen in Kathmandu werden wir nun am 10. April 2017 unsere Tour mit einer Jeep-Fahrt zum Dörfchen Sothi Kola im Gorkha-Distrikt nordwestlich der Hauptstadt beginnen.

Staubsauger-Vertreter am Durbar-Square.



 

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