Sonntag, 28. Mai 2017

Kapitel 20 - Dyang (1800) - Namrung (2660)

Der Tag beginnt für mich mit einer an sich genialen Frühstücksinnovation, die ich heute zum ersten Mal ausprobiere. Es handelt sich um eine Kombination aus Chapati-Brot und Omlett, die einem Sandwich sehr nahe kommt. Eine äußerst schmackhafte Variante, nur leider ein bisschen weniger nahrhaft als die übliche Ladung Haferschleim zusammen mit fetttriefendem tibetischem Brot. Dieses kleine Energie-Defizit ist für den heutigen Tag eher von Nachteil. Die erste Hälfte der Etappe bis zum Mittagessen in Gap hat es auf jeden Fall in sich. 

Ein Hauch von Alpen.
Die Landschaft, durch die wir heute wandern, erinnert ein wenig an die Alpen. Nach wie vor laufen wir am Fluss entlang, blicken auf tiefe Schluchten und steile Hänge, die von Reihen aus Nadelbäumen bewachsen sind. Netto sind wir zwar am Ende einige Hundert Meter aufgestiegen. Der Wegverlauf an sich aber ist gekennzeichnet von einem zähen Auf und Nieder, bei dem wir gefühlt genauso viel Höhe wieder verlieren wie wir durch schweißtreibende Aufstiege gewinnen. Besonders eine Stelle wird zur Herausforderung für Muskeln, Kniee und Motivation. Wegen eines Erdrutsches ist der reguläre Weg versperrt. Für die Umleitung geht es zunächst steil bergauf, bis wir hoch über dem Fluss stehen und eine schöne Aussicht über die Schlucht haben. Doch gleich darauf müssen wir auf ebenso steilen Pfaden wieder absteigen. Jede Unachtsamkeit wird sofort bestraft, denn der Untergrund bietet kaum festen Halt. Nicht nur ich rutsche mindestens einmal aus und küsse den Boden. Nebenbei knallt einem die Sonne auf den Pelz und der Staub brennt in den Augen. Auch der Hunger und die ungeduldige Erwartung des Mittagessens tragen zur Unkonzentriertheit bei.

Starke Schultern.
In der Lodge, in der wir das Mittagessen einnehmen, erleben wir dann auch einen weiteren kleinen Kulturschock. Nach dem entlegenen Tsum-Valley haben wir es auf dem Manaslu-Circuit mit deutlich mehr Menschen und auch gelegentlich größeren Tour-Gruppen zu tun, die (vergleichbar mit den Maultier-Karawanen) im Gänsemarsch über die Wege trotten. Doch wird sich dieser Eindruck bald wieder relativieren. Auf der übrigen Strecke von Gap nach Namrung haben wir den Pfad nahezu ganz für uns alleine. Von hier an gestaltet sich das Streckenprofil auch angenehmer. Wir laufen durch schattige Wälder auf mehr oder weniger ebenem Terrain. Hier wachsen mächtige, moosbehangene Bäume in die Höhe, Vögel singen und gelegentlich flattern Schmetterlinge vorbei, von denen es hier einige farbenprächtige Arten gibt. Dieser Teil erinnert mich mit den vielen herumliegenden Felsen, dem sandigen Boden und den schlanken hochgewachsenen Nadelbäumen stark an das Fichtelgebirge.

Ein Hauch von Fichtelgebrige.
Der heutige Tag markiert auch in gewisser Weise eine Zäsur, was die Zusammensetzung unserer Gruppe angeht. Unsere Wege trennen sich vorerst von denen von Magda und Thomas. Wir werden am nächsten Tag eine andere Route laufen. Nach dem Pass wird es jedoch zur Wiedervereinigung kommen.

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